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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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denn in der Zeit des Hungers und der Pest das Fressen für euch und eure Bankerte entgegengenommen? Ihr selbst habt damals geschrien, daß es keinen würdigeren und gerechteren Herrn in ganz Arras gebe! Albert, hör mich an! Wenn uns heute in der Tat das Schicksal erprobt an den armen Juden und an Herrn de Saxe – und mir scheint, daß dieser ganze Aberwitz damit noch lange kein Ende hat –, dann sollte man eher bei dir die Schuld suchen. Erinnerst du dich an den Schrei der Frau, der du auf dem Schafott die letzte Tröstung versagt hast? Falls du’s vergessen haben solltest, Gott wird dich daran erinnern. Leute, auf wen hört ihr da? Seht euch doch diesen Alten zu Häupten des Tisches an! Ihr saget ›ehrwürdiger Vater‹ zu ihm; ich aber sage euch, daß das ein stinkiger Bock ist, den das Leben und damit das ganze Menschengeschlecht anekelt. Was will er denn? Während wir uns an Sonne und Regen, Blume und Blatt erfreuen, denkt er an Pech und Teufelsforken. Bevor die Seuche über uns kam, hatte die Stadt viel unter ihm zu leiden gehabt. Hier mochte Korn fehlen, an Weihrauch hat es nie gemangelt. Hier mochte Hanf fehlen, dafür gab es stets genug Priestergewänder. Die menschliche Stimme ist in dieser Stadt verstummt. Nur noch Gebete schlagen zum Himmel empor. Zuviel Glauben, zuwenig Verstand! Sollte das der Wille Gottes sein? Wir sind seine Kinder, wie kann er da unsere Erniedrigung und unser Elend wollen? Der alte Bock – fort mit ihm aus der guten Stadt Arras! Legt die Regierungsgeschäfte in die Hände vorurteilsfreier Menschen, die Frömmigkeit mit gesundem Menschenverstand zu vereinen wissen. Ansonsten wird euch der Alte die Hölle heiß machen, daß in Arras kein Stein mehr auf dem anderen bleibt!«
    Albert hörte aufmerksam zu und schwieg. Als Durance geendet hatte, bemerkte der Pater nur: »Bürger! Erwäget selber, was euch zu tun ansteht.«
    Der Rat hieß den Vogt den Saal verlassen. Es war jetzt schon klar, daß er der nächste Angeklagte sein würde.
    Von Herrn de Saxe verlangten die Simpel, daß er seine Sünden bereue. Doch dieser weigerte sich. Oh, wenn er doch anders gehandelt hätte! Ich ging am Abend zu ihm und teilte ihm mit, der Rat wolle ihn für den Fall, daß er seine Schuld bekenne und Reue zeige, nur zum Verlassen der Stadt verurteilen; andernfalls flamme wieder ein Scheiterhaufen auf. De Saxe lachte bitter.
    »Höre, Jean!« sprach er zu mir. »Ich weiß, was heute die Stadt will. Sie will den Kampf! Die Leute bilden sich ein, sie würden in einem Kampf geläutert. Sie tun einander Gewalt an, um sich von dem Mahr zu befreien, der die Stadt zu ersticken droht. Selbst wenn sie die anständigsten Absichten hätten – sie haben sich in einem Teufelsnetz verfangen. Wenn ich ihnen heute sagen würde, daß ich mich vergangen habe, indem ich mit Straßenräubern im Einvernehmen und ein Gotteslästerer gewesen bin, würde ich zum Bundesgenossen dieses ganzen Irrsinns. Besser zugrunde gehen, als dem noch Vorschub leisten! Ich sehne mich absolut nicht nach dem Martyrium, aber eines weiß ich: Etwas Schlimmeres unter der Sonne kann dem Menschen nicht passieren, als sich zu einer Schuld zu bekennen, die er nicht begangen hat. Damit durchkreuzt er anderen die Tugendpfade. Wer Gott liebt und die Menschen, wird solchen teuflischen Wünschen nicht nachgeben.«
    »Wenn Ihr Euch morgen nicht demütigt, seid Ihr verloren!« sagte ich, und meine Stimme klang dumpf.
    Er sah mich aufmerksam an. Sicher konnte er nur die Umrisse meines Gesichtes wahrnehmen, denn im Verlies war es dunkel.
    »Ich weiß!« erwiderte de Saxe. »Ich bin nicht mehr jung. Jeder muß einmal sterben. Gott wird mir verzeihen; er sieht in mein Herz: es ist rein, Jean…«
    »De Saxe, lieber Freund!« erwiderte ich voller Eifer. »Ihr wißt, wie nah Ihr mir steht! Albert ist wie ein Vater für mich, Euch habe ich immer für meinen Bruder erachtet. Glaubt mir, Euer Tod ändert nichts in der Stadt. Ihr sterbt vergebens!«
    »Das mag sein«, sagte er leise. »Aber wenn ich am Leben bleibe, freilich, dann ändert sich was: alles wandelt sich zum Argen. Die Menschen gelangen zu der Überzeugung, daß sie im Recht gewesen sind, und ihre Sünde wird sie vor sich her treiben wie eine gespannte Bogensehne. Aber das Menschenhirn ist nun mal keine Bogensehne, und man darf es nicht so anspannen. Wenn es reißt, verfällt Arras dem Wahnsinn. Das ist eine gute Stadt, Jean, und sie hat ein besseres Los verdient. Ich will nicht zum Henker dieser Stadt

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