Eine mörderische Karriere
etwas Lächerliches habe ich ja noch nie gehört. Hör jetzt auf, so zu reden, Pat. Ich höre mir das nicht länger an. Simon ist mit seiner Weisheit am Ende. Und wenn ich helfen kann, werde ich es tun. Selbst wenn ich gewisse Dinge über Georgia oder Prospero oder was sonst in Erfahrung bringe, na und? Ist es am Ende nicht immer besser, die Wahrheit zu kennen? Stimmt das nicht?«
»Nein, Jane«, erwiderte Pat traurig, stand auf und ging zu ihrem Stuhl zurück. Ihr Gesicht war ernst.
Jane, der das Gespräch mit Simon wieder einfiel, wo sie die Gegenposition vertreten hatte, dachte flüchtig, wie merkwürdig es doch war, daß sie glaubte, andere könnten durch die Wahrheit verletzt werden, aber auf sie könne es nur befreiend wirken. »Tja, du hast Pech, Pat«, sagte sie. »Ob du mir nun hilfst oder nicht, ich werde herauskriegen, was mit Georgia passiert ist, wenn ich irgend kann.«
»Tut mit leid, das zu hören.« Pat legte sich auf ihren Stuhl, streckte ihr Gesicht in die Sonne und schloß die Augen. Jane folgte ihrem Beispiel und ließ die warmen Sonnenstrahlen ihre Zweifel zum Verstummen bringen.
Ihr Auto holperte und quietschte, als Jane es über die grasbewachsene Fahrspur lenkte, die von Pats Haus den Hang hinunterführte, und dann auf die Kiesstraße zu Malcolms Haus. Im Rückspiegel sah sie eine Wolke aus graubraunem Staub hinter sich, vorn glänzte die Straße im Licht des späten Morgens. Die Lichtreflexe in den Furchen sahen aus wie Wasserpfützen. Wenn sie näherkam, entpuppten sie sich allerdings jedesmal als bloße Luftspiegelungen.
Anstatt ihre Strategie für das Treffen zu planen, machte Jane sich Gedanken darüber, wie sie angezogen war. In der Hitze, die im Inneren ihres Wagens herrschte, fing ihre Khakihose bereits an zu knittern, und ihr weißes Polohemd klebte ihr am Rücken. Manchmal glaubte sie ernsthaft, daß sich mit der richtigen Kleidung eine Illusion von Macht schaffen ließ: Kostüme mit breiten Schulterpolstern, hohe Absätze, riesige viereckige Goldohrringe. Dagegen in diesem Aufzug hier... Malcolm würde höchstwahrscheinlich denken, sie sei ein niedliches kleines Ding, zuhören, lächeln und dann ablehnen. Sicher könnte sie durch Flirten seine Aufmerksamkeit erregen, aber das wäre die falsche Art von Aufmerksamkeit und würde ihr eher schaden als nützen.
Sie merkte, daß sie an seinen Torpfosten vorbeigefahren war, und bog in den nächsten Weg ein. Dort wendete sie. Der Staub, den der Wagen aufgewirbelt hatte, rieselte auf sie herab und setzte sich in ihren Haaren, auf Lippen, Augen und dem weißen Shirt fest.
Malcolms lange Auffahrt war mit feinem Kies bestreut. Sie wand sich zwischen herrlichen alten Ahornbäumen hindurch, am See vorbei zum Haus. Das Haus selbst war ein etwa hundert Jahre altes Backsteinfarmhaus mit weißen Simsen und überladenen Verzierungen an den Giebeln. Hinten war angebaut worden, doch die Front war authentisch. Es sah solide und sicher aus. Sie parkte das Auto in einem kreisförmigen Abstellbereich, im Schatten eines der großen Bäume, wischte sich, so gut es ging, Gesicht und Hände ab und stieg aus.
Als Jane sich auf dem Gehweg aus Ziegeln, der von einem Meer weißer Petunien gesäumt war, dem Haus näherte, öffnete sich die Haustür und Malcolm kam heraus. »Hallo, hallo«, sagte er, lächelte sie an und schüttelte ihr überschwenglich die Hand. »Ich weiß es zu schätzen, daß du an einem solch herrlichen Tag den weiten Weg hier heraufkommst. Gehen wir nach hinten und trinken wir was. Dir muß heiß von der Fahrt sein.«
Sie folgte ihm seitlich ums Haus herum zu einer Terrasse, von der man auf den abfallenden Rasen blickte. Hier und da standen Ahornbäume und warfen ihre dichten Schattenmuster auf das Gras. Einer der Bäume breitete seine Aste über einen Teil der Terrasse, in seinem Schatten stand ein mit Drinks und kleinen Sandwiches gedeckter Tisch. »Lunch«, sagte Malcolm.
Jane, die bei Pat ein spätes Frühstück mit Toast und Obst bekommen hatte, hatte keinen Appetit. Die beiden Frauen waren bis spät aufgeblieben und hatten geredet und getrunken. Pat hatte Jane alles erzählt, was sie über Georgias Verschwinden wußte, gegen ihren Willen, nachdem sie mehr als ihren Anteil an der zweiten Flasche Wein getrunken hatte. Dennoch hatte Jane nichts erfahren, was Pats seltsames Zögern erklärte, über Georgia zu sprechen oder ihre eindeutige Unzufriedenheit mit Janes Absicht, nach deren Verbleib zu forschen. Man merkte, daß es vieles
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