Eine Nacht wie Samt und Seide
diesen Gentleman wissen, vor allem aber seinen Namen.«
Cromarty hatte angestrengt von Barnaby zu Dillon geschaut; nun schluckte er und sagte im Ton eines Mannes, der dem Henker gegenüberstand: »Gilbert Martin.« Cromarty sah Dillon an. »Er ist Mr Gilbert Martin vom Connaught Place.«
Eine Viertelstunde später hatten sie Cromarty ein umfassendes Geständnis entlockt, Dillon hatte ihn durch eine detailreiche Beschreibung dessen, wie die übler beleumundeten Buchmacher wohl reagieren könnten, wenn sie erst einmal verdaut hatten, welche Katastrophe über sie hereingebrochen war, zum Reden gebracht; Cromarty hatte ihnen alles verraten, was sie wissen wollten.
Derart gerüstet kehrten sie zu Harkness zurück. Sein Widerstand dauerte nur so lange, wie Dillon brauchte, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass Cromarty ihnen bereits alles gestanden hatte. Harkness bestätigte Gilberts Namen und seinen Wohnsitz, lieferte darüber hinaus noch eine Beschreibung - elegant, städtisch, hoch gewachsen, dunkelhaarig und kräftiger gebaut als Barnaby.
Harkness bestätigte ihre Einschätzung, dass er der erfahrenere Schurke war; anders als Cromarty flehte er nicht um Milde, sondern erklärte schlicht, wenn er die Wahl hätte zwischen Newgate und Deportation in die Kolonien, dann wolle er Letzteres.
Barnaby schaute ihn mit erhobener Braue an. Harkness sagte: »Die Chancen zu überleben sind auf der anderen Seite der Welt höher.«
Auf dem Flur winkte Dillon die Gendarme zu sich, die der Magistrat auf seine Nachricht hin gesandt hatte. Ihnen überließ er Cromarty und Harkness und brachte Barnaby zu seinem Büro.
Dort nahm er lässig auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch Platz und schaute zu, wie sich Barnaby seinerseits in einen Lehnstuhl sinken ließ, ein albern engelsgleiches Lächeln auf den Lippen. Dillon grinste. »Was ist?«
Barnaby lächelte breit. »Ich habe nicht geglaubt, dass wir einen Namen bekommen, darauf hatte ich gar nicht zu hoffen gewagt. Mr Gilbert Martin vom Connaught Place.«
»Kennst du ihn?«
»Nein.« Barnaby zuckte die Achseln. »Aber er dürfte nicht schwer zu finden sein. Elegante Herren von Welt neigen dazu, ihre Schlauheit zu überschätzen.«
»Sprichst du aus eigener Erfahrung?«
Barnaby grinste.
Dillon schaute aus dem Fenster. Es war beinahe vier Uhr; bald würde die Sonne untergehen und das Tageslicht verblassen. »Bist du immer noch entschlossen, heute nach London aufzubrechen?«
»Absolut.« Barnaby sprang auf. »Es schien mir nur richtig, ein paar Minuten hier zu verbringen, wo alles mehr oder weniger begonnen hat.«
Dillon erhob sich auch und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. »Wie sehen deine Pläne aus, wenn du in der Stadt bist?«
»Ich gehe heim.« Barnaby antwortete über seine Schulter, während er schon zur Tür schritt. »Mein Vater ist dort, ihm werde ich es zuerst erzählen. Morgen suche ich dann Stokes auf. Er ist schon sehr interessiert an der ganzen Sache. Ich bin sicher, er wird am Ende unbedingt dabei sein wollen.«
Mit einem weiteren, diesmal eher raubtierhaften Lächeln zu Dillon ging Barnaby aus dem Zimmer. »Wer weiß? Wenn wir unsere Spinne erwischen, entdecken wir am Ende, dass hinter diesem Netz mehr steckt, als wir bereits wissen.«
»Das hoffe ich ehrlich nicht.« Dillon folgte Barnaby in den Flur. »Ich habe genug von dem Spinnennetz und seinen Verwicklungen. Ich bin nur froh, sie los zu sein.«
Endlich. Als er neben Barnaby aus dem Jockey-Club kam, ließ Dillon diese Tatsache langsam auf sich wirken. Erfreute sich darauf, sich nunmehr mit allen Sinnen uneingeschränkt und ohne Ablenkung darauf konzentrieren zu können, völlig anders geartete Verwicklungen zu lösen.
Er stand jetzt vor der Aufgabe, ein wildes, ungestüm leidenschaftliches weibliches Wesen unwiederbringlich an sich zu binden.
17
Es war eine merkwürdige Nacht, mild zwar, aber der Wind war böig, unvorhersehbar und unstet. In der einen Minute wehte er kräftig, in der nächsten erstarb er völlig. Wolken waren aufgezogen, schwer genug, um die Wärme des Tages darunter festzuhalten; als sie aus dem Haus schlüpfte, benötigte Pris nicht mehr als einen leichten Schal.
Der Mond war hinter den Wolken verschwunden, sodass um sie herum Dunkelheit herrschte. Sie fand sie nicht unheimlich, sondern irgendwie tröstlich. Der Weg zum Sommerhaus war ihr bestens vertraut; sie beschleunigte ihre Schritte, wollte rasch - beinahe verzweifelt schnell - ans Ziel gelangen.
»Verflixter
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