Eine Nacht wie Samt und Seide
begriffen, was er dabei ungesagt ließ, aber er hätte es nicht wirklich als Bedrohung empfunden. Das hatte sich geändert. Er blickte über die Köpfe hinweg und entdeckte Pris - diejenige, die er am sorgsamsten hüten musste, wie Devil angedeutet hatte. Sie stand in einer Traube von Gästen, Russ an ihrer Seite und ihr Vater, der alles wohlwollend verfolgte, auch nicht weit entfernt.
Er spürte, wie sich etwas in ihm entspannte, wie ein aufgeschrecktes wildes Tier, das sich wieder hinlegte. Dillon lächelte Lady Folwell an und blieb bei ihr stehen, um mit ihr zu plaudern.
Pris war in Sicherheit, die Nacht wäre bald vorüber, und ihre Hochzeit war einen Tag näher gerückt. Trotz seiner Ungeduld, Mr X handeln zu sehen, auf dass er gefasst und unschädlich gemacht würde, war er ebenso ungeduldig, die Stadt hinter sich zu lassen und mit Pris nach Hause zu fahren. Wenn Mr X nicht bald zuschlug, würde das Betrugsmanöver und der Kopf dahinter endgültig dem Vergessen anheimfallen. Er und Pris hatten zu viel zu tun, auf das sie sich freuten, um Zeit mit einem ruinierten Schuft zu vertun.
Der Ball war unleugbar ein schreckliches Gedränge, was den Abend zu einem durchschlagenden Erfolg erklärte. Horatia und Flick strahlten beide. Dillon tanzte mit ihnen, war ehrlich dankbar, aber auch ein wenig misstrauisch. Flick informierte ihn, dass Pris vorhabe, Prue zu bitten, zusammen mit Pris’ Schwestern Blumen zu streuen; er fragte, ob sie nicht auch meine, es sei potentiell gefährlich, Prue dazu zu ermuntern, an Hochzeiten zu denken, was sie zum Lachen brachte. Er glaubte nicht, dass Demon, mit derselben Frage konfrontiert, auch nur schmunzeln würde.
Pris sah Dillon bei der nächsten Drehung mit einer glücklichen Flick im Arm über die Tanzfläche wirbeln und lächelte.
»Mr Caxton ist in der Tat ein beneidenswerter Mann.«
Auf diese Bemerkung hin schenkte sie wieder ihrem Tanzpartner ihre Aufmerksamkeit, einem Mr Abercrombie-Wallace. Pris nickte und blickte über seine Schulter, während er sie durch die nächste Drehung am Ende des Saales führte.
Russ’ Worte kamen ihr wieder in den Sinn; ohne Mr Abercrombie-Wallace anzusehen, prüfte sie Russ’ Theorie, dass sie andere Männer als Dillon gar nicht wahrnahm. Abercrombie-Wallace war ein typischer Londoner Gentleman, altersmäßig lag er irgendwo zwischen Dillon und Demon. Er war dunkelhaarig, nicht ganz so groß, ein wenig schwerer. Sie nahm an, dass er ein typisch englisches Gesicht besaß, insgesamt passabel, mit Zügen, die seine adelige Abstammung verrieten. Er stammte, so nahm sie an, aus guter Familie mit wertvollen Verbindungen, vielleicht einer der älteren Familien der guten Gesellschaft; die Qualität seiner Kleidung, der Diamant in seinem Halstuch, das alles roch nach Reichtum und Einfluss.
Sein Benehmen war höflich, sein Wesen war ihr für ihren Geschmack zu sanft. Er schien nicht unbedingt schüchtern, aber zurückhaltend.
Ihr Blick glitt über sein Gesicht, sie zuckte im Geiste die Achseln. Es war kaum ein Wunder, dass er keinen sonderlichen Eindruck auf sie machte.
»Mr Abercrombie-Wallace, ich frage mich, Sir, was Sie in die Stadt bringt?« Sie betrachtete ihn fragend. »Sind es Geschäfte oder die Vergnügungen Londons?« Er war ihr auf den Bällen aufgefallen, die sie in den letzten Tagen besucht hatten; sie tippte auf Vergnügungen.
Er machte vielleicht keinen besonderen Eindruck auf sie, aber sie offenbar mit dieser Frage auf ihn. Sogleich richtete er seinen Blick - er hatte blassbraune Augen - auf sie. Nach einem Moment ziemlich unbehaglichen Starrens in Schweigen erwiderte er: »Zufälligerweise handelt es sich dieses Mal um eine Mischung aus beidem.«
Seine Stimme klang ein wenig angestrengt; bis zu dem Augenblick war sie melodisch und sanft gewesen. Pris schaute ihn aus großen Augen an. »Wirklich? Wie ... Oh!«
Sie stolperte und wäre beinahe gestürzt. Abercrombie-Wallace fing sie auf, stützte sie, während er sich wortreich für sein Ungeschick entschuldigte. Er war ihr auf den Rock getreten. Pris schaute an sich herab zu der Spitze, die unter ihrem Saum über den Boden schleifte, und verkniff sich einen wenig damenhaften Fluch. Sie müsste die Spitze hochstecken.
»Verzeihen Sie mir vielmals, Teuerste.« Wallace war blass geworden. »Wenn ich das vorschlagen darf, dort drüben auf der anderen Seite des Flures befindet sich ein Nebenraum, man muss nur durch diese Tür gehen.« Er nickte zu einer Tapetentür in der Nähe.
Weitere Kostenlose Bücher