Eine Nacht wie Samt und Seide
tanzenden Augen versicherten Pris, dass das Kompliment aufrichtig gemeint war.
»Ich frage mich ...« Mrs Cynster richtete ihre blauen Augen auf Eugenia und Adelaide, die still neben ihr stand, dann wieder auf Pris, sie hob die Brauen. »Es wäre mir eine große Freude, Sie der Gesellschaft vor Ort vorzustellen. Soweit ich verstanden habe, wohnen Sie seit Kurzem in Carisbrook House. Sie können sich da unmöglich verkriechen. Außerdem, auch wenn es selten das wichtigste Gesprächsthema der Damen hier ist, kennen sich viele von uns bestens mit Pferderennen aus.« Sie schaute Eugenia an. »Sie werden sicherlich in der Lage sein, mehr zu erfahren.«
Ein von einem Lächeln begleiteter Blick bezog Pris und Adelaide ein. »Ich gebe heute Nachmittag eine Teegesellschaft. Ich wäre entzückt, wenn Sie kommen könnten. Ich bin sicher, einige von uns könnten das eine oder andere für Sie von unseren Ehemännern erfragen, wenn wir wissen, was genau Sie am dringendsten wissen möchten. Bitte, sagen Sie, dass Sie kommen werden.«
Eugenia sah zu Pris. Sie hatte nur einen Sekundenbruchteil, um sich zu entscheiden. Sie nickte kaum merklich.
Eugenia schaute wieder Mrs Cynster an. »Wir fühlen uns geehrt, ihre Einladung anzunehmen, meine Liebe. Ich muss sagen, immer nur nachzuforschen und sich keinen Spaß zu gönnen ist doch reichlich anstrengend.«
»Wunderbar!« Mit einem strahlenden Lächeln beschrieb ihnen Mrs Cynster den Weg und bestätigte dabei Pris, dass sie wirklich die Herrin auf dem Cynster-Gestüt war.
Was bedeutete, dass ihr Ehemann wahrscheinlich wusste, welche Details zu einem Pferd bei der Aufnahme in das Register angegeben werden mussten.
Pris’ Lächeln war aufrichtig. Vorfreude und Hoffnung wallten in ihr auf.
Mrs Cynster verabschiedete sich, dann rief sie ihre Tochter: »Komm, Prue.«
Lächelnd blickte Pris das Mädchen an.
Sie fing einen Blick aus ihren blauen Augen auf, nicht denen ihrer Mutter, sondern irgendwie härtere und schärfere; der Ausdruck auf dem Gesicht der Kleinen verriet entzückte Erwartung und Vorfreude.
Pris blinzelte verwundert; Prues Lächeln vertiefte sich, sie drehte sich um und folgte ihrer Mutter, die schon zwischen den Regalen verschwunden war. Pris entging der letzte begeisterte Blick nicht, den Prue ihr zuwarf.
»Nun!« Eugenia strich ihren Schal glatt, dann wandte sie sich ebenfalls zum Gehen. »Der Weg über die Gesellschaft klingt wesentlich vielversprechender als diese Bücher hier. So ein glücklicher Zufall.«
Pris folgte Eugenia und Adelaide und murmelte etwas Zustimmendes, war in Gedanken aber ganz woanders. Warum hatte Prudence Cynster so erwartungsvoll ausgesehen?
Pris hatte selbst jüngere Schwestern, und ihre eigene Kindheit lag noch nicht so weit zurück. Sie konnte sich erinnern, welche Themen Mädchen dieses Alters am meisten entzückten.
Hinter Eugenia und Adelaide trat sie in den Sonnenschein nach draußen und beschloss, dass der Besuch von Mrs Cynsters Teegesellschaft zwar sicher angeraten war, eine gewisse Vorsicht jedoch nicht fehl am Platze wäre.
5
Vier Stunden später war Pris recht zufrieden mit ihrem Debüt in der Newmarketer Gesellschaft. Sie hatte sich als Blaustrumpf ausgegeben, ein schlichtes Kleid aus grau und weiß gestreiftem Twill angezogen und das Haar zu einem gestrengen Knoten im Nacken aufgesteckt, und sie hatte sich bemüht, ruhig und belesen, aber nicht allzu gelehrt zu wirken.
Die Gesellschaft bei den Cynsters erwies sich als größer, als sie erwartet hatte. Eine ganze Reihe junger Damen und eine erstaunliche Anzahl Junggesellen schlenderten über den Rasen neben dem Haus - unter den wachsamen Blicken einer ganzen Schar von Anstandsdamen, die behaglich im Schatten unter den Bäumen saßen.
»Danke, Lady Kershaw.« Pris knickste höflich. »Ich freue mich schon, Sie morgen Abend wiederzusehen.« Mit einem leichten Lächeln verließ sie die hochnäsige Matrone.
Einladungen zu Abendgesellschaften und Feiern waren eine unausweichliche Folge davon, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen; da sie aber herausgefunden hatte, dass die meisten Menschen hier in irgendeiner Weise mit dem Rennsport verbunden waren, war sie mit Eugenia einer Meinung, alle Einladungen anzunehmen, die ausgesprochen wurden. Wer konnte schon sagen, von wem sie die entscheidende Information erhalten würden? Bis es so weit war, würden sie in jeder Richtung ermitteln. Sie und Eugenia waren beide Töchter eines Earls, und Adelaide hatte sich ihr ganzes
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