Eine Rose im Winter
an. Farrell holte neben ihr auf und war ihr um eine halbe Länge voraus, als sie auf dem Hügel ankamen.
Plötzlich krachte ein Schuß durch die Luft, gefolgt von einigen weiteren Explosionen. Farrell zerrte hart an den Zügeln und brachte sein Pferd mit einem Ruck zum Stehen. Nur einen Lidschlag später kam Erienne etwas unsicher zum Halten. Sie saßen vollkommen still, um zu lauschen, während ihre Augen das Halbdunkel der Dämmerung zu durchdringen versuchten. Ein Schreckensschrei durchdrang die Stille, der in einem schluchzenden, flehenden »Nein!« endete, und noch ein Schuß hallte über die Hügel. Er wurde von einem dünnen, durchdringenden Schrei, doch schwächer als der erste, begleitet. Schlagartig zum Schweigen gebracht, erstarb er plötzlich.
Erienne sträubten sich die Haare. Nach einem schnellen Blick zu Farrell lenkten sie ihre Pferde vorsichtig in den Schatten einer Reihe Eichen, die den Weg säumten, und ritten weiter zur Hügelkuppe hinauf. Auf der nächsten Erhebung sah man einen dunkel gekleideten Mann, der von seinem Pferd aus den Weg beobachtete. Farrell gab ein Zeichen, und Erienne wartete mit angehaltenem Atem, doch von dem Posten war keine Warnung zu hören. Nach einer Weile rief eine entfernte Stimme den Mann, und nach einem kurzen Wortwechsel ritt er zu seinem Begleiter und verließ seinen Standort.
In die Stille mischten sich ihre Seufzer der Erleichterung. Im Schutz der dunklen Bäume bewegten sie sich langsam vorwärts, bis sie den Kamm des Hügels erreicht hatten, von dem aus sie ins Tal hinabsehen konnten. Auf dem Weg hatte eine Kutsche gehalten, um die herum sich einige schwarz gekleidete Männer bei Laternenlicht zu schaffen machten. Ein Pferd lag tot neben der Deichsel, und der Rest des Gespanns wurde eben weggeführt. Die Türen standen weit offen, und Erienne hielt erschrocken den Atem an, als sie im gelben Schein der Laternen die Leiche eines reich gekleideten Mannes erblickte, dessen Oberkörper aus dem Inneren des Wagens heraushing. Kutscher und Diener lagen hingestreckt auf dem Weg. Eine junge Frau war die einzig Überlebende. Ihre Arme hatte man an die beiden Querstangen gebunden, so daß sie rittlings auf der vorn auf dem Boden aufliegenden Deichsel saß. Die Banditen machten sich ein Vergnügen daraus, ihr den Schmuck abzunehmen und sie grob zu betätscheln. Ihre schluchzenden Bitten gingen im lauten Gelächter der Männer unter.
Farrell drückte Erienne weiter in den Schatten zurück, ganz aus dem Licht des Mondes. Seine flüsternde Stimme drängte: »Sie werden sie umbringen … oder noch schlimmer … ich kann nicht auf Hilfe warten!«
»Das sind mehr als ein Dutzend, Farrell! Was können wir gegen so viele machen?«
»Kannst du den Sheriff holen? Ich werde versuchen sie aufzuhalten … irgendwie.«
»Das wäre Wahnsinn, da als einzelner anzugreifen«, warf Erienne ein.
»Gib mir deine Pistolen«, flüsterte er und streckte seine Hand aus, um sie in Empfang zu nehmen. Als sie zögerte, machte er eine ungeduldige Gebärde. »Beeil dich!«
Erienne hatte einen eigenen Plan: »Farrell, vielleicht können wir sie gemeinsam aufhalten. Siehst du die Bäume an dem Hang in der Nähe der Kutsche? Wir können um sie herumreiten und uns da verstecken. Kommen wir auf diese Weise nah genug heran, so können wir ein oder zwei Kerle erwischen, und die anderen werden vielleicht fliehen, bevor dem Mädchen etwas zustößt. Du kannst nicht deine Pistole abfeuern und zur gleichen Zeit die Zügel halten.«
»Da hast du leider recht«, murmelte er. »Mit nur einem Arm bin ich nicht mehr zu viel nutze.«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Farrell«, drängte sie. »Das Mädchen braucht uns beide.«
»Mit dem Aufruhr, den die Diebe veranstalten, könnte sich ihnen ein ganzes Regiment durch die Bäume nähern, ohne daß sie etwas hörten.« Er lachte leise. »Bist du bereit, Erienne?«
»Jawohl!« flüsterte sie zurück und trieb ihr Pferd hinter dem Hügelkamm entlang, bis sie zu den Bäumen und in das Unterholz gelangten.
Ein etwas höher gelegener Vorsprung, der sich über dem Weg in der Nähe des Wagens erhob, bot ihnen einen guten Ausgangspunkt. Sie stiegen ab, um sich hinter den Bäumen und Felsen zu verbergen. Von unten drang das unterdrückte Weinen des Mädchens und das Gelächter und Schreien der Wegelagerer empor. Die Diebe hatten einen Augenblick von ihr abgelassen, während sie das Gepäck auseinander rissen und in roher Weise die Leichen der Männer
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