Eine skandalöse Braut
wirklich so absurde Kleider?«
»Sie sind Teil deines besonderen Zaubers«, antwortete er mit unerschütterlicher Höflichkeit. »Würdest du dich mir zum Dinner anschließen nach all der Aufregung?«
Meine geliebte Anna:
Der Tag ist grau, der Garten stirbt, während der Winter sich langsam nähert. Laub wirbelt im kalten Wind auf und wird auf den nassen Rasenflächen im Park verstreut. Vielleicht ist das Wetter der Grund für meine gedämpfte Laune, aber meine melancholische Nachdenklichkeit hat nichts bewirkt. Nur meine Stimmung wird gedrückt. Ich vermisse Dich.
Wie einfach das klingt! Und wie kompliziert es doch ist …
Ich versuche, mich an die Zeit zu erinnern, als ich Dich nicht geliebt habe. Aber ich kann es nicht. Es gab kein Leben vor Dir, und es wird keines geben, wenn Du nicht mehr bist …
Auch dieser Tag war grau und trüb gewesen. Aber trotz seiner alles andere als befriedigenden Konfrontation mit Lord Hathaway war seine Stimmung beschwingt. Alex erinnerte sich an den Anfang des letzten Briefs, der ihm zugestellt worden war. Jetzt verstand er diese Empfindung. Er schloss die Tür zu dem einfachen Cottage auf und trat beiseite, um Amelia den Vortritt zu lassen.
Was passierte, wenn man jemanden liebte und ihn nicht haben durfte? Er hielt nichts von Untreue, aber manchmal verstand er Samuels und Annas Geschichte ein bisschen, obwohl er nach wie vor überzeugt war, dass er noch nicht die ganze Wahrheit kannte, obwohl er diese Briefe las.
»Das ist jedenfalls keine Kutsche, die nordwärts rumpelt«, bemerkte Amelia. Sie blickte sich in dem schlichten Eingangsbereich um. »Ich hatte gedacht, wir brennen durch?«
»Das tun wir auch. Aber bis Schottland ist es ein langer Weg, und in dieser Welt können einem Freunde oft weiterhelfen«, sagte er unbekümmert. Er schloss die Tür hinter ihnen. Dieses Häuschen war makellos rein, die Möbel schlicht, aber schön gemacht. Ein alter Schaukelstuhl neben der Feuerstelle lud zum Verweilen ein, und die niedrigen Balken der Decke waren rußgeschwärzt. Der Teppich war einfach, aber in Farbschattierungen zwischen creme und hellbraun sorgfältig gewebt. Ein kleines Sofa stand neben dem Fenster im Wohnraum. Ein Korridor mit gebohnerten Dielen und eine Treppe führten vermutlich zu den Schlafzimmern im oberen Stockwerk. Es war, wie Michael es beschrieben hatte: ein Rückzugsort, nicht zu weit von der City entfernt. Der Fluss strömte hinter dem Garten ruhig dahin.
»Wir brauchen eine Sondergenehmigung, einen gewissen Bischof, den ich persönlich kenne, und zwei verlässliche Zeugen, die kein Wort von der Hochzeit verlauten lassen, bis wir es ihnen gestatten«, erklärte er. »Wenn wir nicht offiziell heiraten dürfen, ist es mir so doch lieber als eine kopflose Flucht nach Schottland. Im Übrigen weiß niemand, wo wir sind. Dein Vater hat vielleicht jemanden auf die Suche nach uns geschickt.«
In ihrem rosenfarbenen Tageskleid war sie atemberaubend schön. Alex fand sie allerdings immer atemberaubend. Sie blickte zu ihm auf. Ihre blauen Augen glänzten. »Es ist hier herrlich einsam. Ein schönes Geschenk …«
Er wollte, nein, er musste sie küssen. Sie fest in den Armen halten.
»Du kannst dem Marquess of Longhaven danken, wenn du ihn morgen auf unserer Hochzeit siehst«, murmelte er und machte einen Schritt auf sie zu. »Michael ist ein besonderer Freund. Gerade jetzt beweist er das.«
Ihr Haar war im gedämpften Licht des späten Nachmittags, das durch die schmalen Fenster hineinfiel, die zur Themse hinausgingen, von einer tiefen, bernsteinblonden Farbe. Ihre Gestalt schmiegte sich in seine Umarmung, und sie öffnete die Lippen seinem Kuss. Amelia klammerte sich an seine Oberarme, dann drückte sie ihren Körper mit einem leisen Seufzen an seinen.
Da er zuletzt kaum etwas anderes getan hatte, außer an die gemeinsam verbrachte Nacht zu denken, erwachte die Flamme der Leidenschaft sogleich wieder zum Leben.
Schon morgen würde sie seine Frau werden. Heute Nacht waren sie bloß Liebende, aber er hatte vor, die Nacht vor der Hochzeit ebenso unvergesslich zu machen wie die erste Nacht danach.
»Ich habe so viel an dich gedacht«, gestand er, nachdem er den Kuss unterbrach, damit beide zu Atem kommen konnten. »Es hat mich schier wahnsinnig gemacht. Ganz ehrlich, wenn mir jemand vor einem Monat prophezeit hätte, ich wäre bald in dieser Verfassung, hätte ich für denjenigen nur Hohn und Spott übrig gehabt.«
»Du?« Amelia lachte. Ihre langen Wimpern senkten
Weitere Kostenlose Bücher