Eine skandalöse Braut
eine Verführung zu bewerkstelligen. Also, was ist so dringlich, dass Ihr das Risiko eingegangen seid, mir eine Botschaft zu schicken?«
Seine Worte ließen in ihr das Bild von zerwühlten Laken und erhitzten Küssen aufsteigen … und daran, was wohl danach kam. Sie war nicht vollkommen unaufgeklärt, aber sie war keineswegs in Details eingeweiht. Dennoch sagte ihr Gefühl ihr, wenn es einen Mann gab, der körperliche Intimität lustvoll gestalten konnte, dann war er dieser Mann. Sie schob diesen abwegigen Gedanken schnell wieder beiseite, öffnete ihren Pompadour und zog ein gefaltetes Stück Papier heraus. »Das hier habe ich heute früh bekommen. Natürlich habe ich sofort an Euch gedacht.«
»An mich?« Er nahm das Blatt Papier aus ihrer Hand entgegen und faltete es auseinander. Während er rasch den Brief überflog, runzelte er die Stirn. Sie wusste genau, was die halbe Seite, die offensichtlich zu einer längeren Konversation gehörte, enthielt. Sie hatte diese Zeilen seit der Zustellung immer wieder gelesen.
In Deinen Armen habe ich mich endlich ganz gefühlt, weil wir einander komplettieren. Nie hätte ich gedacht, dass in einem Akt, den manche Frauen so unangenehm finden, so viel Poesie verborgen ist. Ich weiß, Du hast es nicht darauf angelegt, es war nicht Deine Absicht, dass die Dinge sich so entwickeln. Aber es ist nun einmal passiert, es ist uns beiden passiert. Sag mir – ich muss es wissen: Würdest Du daran etwas ändern wollen, wenn Du könntest? Würdest Du die zärtlichen Berührungen und diese wunderbare Leidenschaft gegen ein Leben ohne mich eintauschen wollen? Ein Leben, in dem wir uns nie begegnet wären?
Ich würde das nicht wollen. Weil ich Dich liebe.
Komm zu mir, wann immer es Dir möglich ist. Ich bin so einsam, wenn wir getrennt sind.
Ich sende Dir meine zärtlichsten Grüße
Anna St. James
Geschrieben am 17. August 1769
Alex hob den Kopf und starrte sie an. »Jemand hat Euch das hier geschickt?«
Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Es kam heute früh mit der Post und war an mich adressiert. Es gab kein Siegel, sondern war nur mit etwas Wachs verschlossen. Der Absender hat es bevorzugt, seinen Namen nicht auf dem Umschlag zu vermerken.«
»Das ist merkwürdig.«
»Das habe ich auch gedacht. Besonders, als ich die Unterschrift gelesen habe. Anna St. James. Mir kommt es seltsam vor, dass Ihr erst das Arbeitszimmer meines Vaters durchsucht und mir dann jemand den Teil eines Briefs schickt, der vor Jahren von einer Verwandten von Euch geschrieben wurde. Dem Namen nach könnte das passen, oder?«
»Ja.« Er zögerte nicht. Den vergilbten Brief hielt er fest mit seinen schlanken Fingern umklammert. Die dunklen Wimpern senkten sich leicht über seine Augen. »Ich frage mich, woher er oder sie – unser geheimnisvoller Absender – diesen Brief hat. Ich bin beunruhigt, wenn ich ehrlich bin. Ich mag es überhaupt nicht, wenn ein Spiel gespielt wird und mir niemand sagt, dass ich in diesem Spiel mitzuspielen habe.«
»Dieser Brief hat für Euch eine bestimmte Bedeutung?«, wollte Amelia wissen. »Hat es etwas damit zu tun, warum Ihr an jenem Abend auf meinem Balkon aufgetaucht seid?«
»Ja und nein. Ja, weil ich vermute, das eine könnte mit dem anderen zu tun haben. Aber nein, weil ich den Zusammenhang nicht kenne.«
Sie legte die Hände auf die Hüften. Ihre Augen verengten sich. »Ich bin nicht sicher, ob ich noch viele Antworten dieser Art vertrage, die eher Dementi denn Erklärungen sind, Mylord.«
Das rosafarbene Tüllkleid stand ihr hervorragend, aber Alex war sich ohnehin sicher, dass die meisten Farben Amelia gut standen. Wenn sie keinen Faden am Leib trug, würde ihr das noch besser stehen. Die sanften Rundungen ihrer Brüste, die sich elfenbeinhell über dem Ausschnitt hoben, brachten blitzartig wieder die Erinnerung daran zurück, wie er sie heimlich beobachtet hatte, als sie sich auszog. Die gemächlichen Bewegungen ihrer Hände, als sie das Kleid von ihren Schultern geschoben hatte. Die aufreizende Silhouette, als sie sich vorbeugte, um ihre Seidenstrümpfe von den Haltern zu lösen und von ihren hübschen Beinen herunterzurollen …
Bleib lieber beim Thema, statt dir Dinge vorzustellen, die dich nichts angehen. Unschuldige Mädchen und Alexander St. James, der skandalumwitterte Sohn des Duke of Berkeley, passten nicht sonderlich gut zusammen. Während er darüber nachdachte, verrannen die Minuten. »Ich glaube allmählich, die Informationen, die mir zur
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