Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
bedauernd. »Bis zu diesem Moment hatte ich noch nie mit verrückten Menschen zu tun. Und deren Verhalten ist schwer zu kalkulieren. Vieles bei ihr ergibt eigentlich keinen Sinn. Warum erpresst sie beispielsweise ihren eigenen Ehemann? Um sich für alle Fälle ein finanzielles Polster zuzulegen? Möglich.«
»Oder sie wollte ihn einfach nur quälen.« Nie im Leben würde Lily den Abscheu vergessen, mit dem diese Frau über Arthur gesprochen hatte. »Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob sie nicht ihn sogar mehr hasst als mich.«
»Es ist jedenfalls klar, dass er bereut, was vor vier Jahren geschah.« Damiens dunkle Augen blieben auf sie gerichtet. »Ich weiß selbst nicht recht, ob ich deswegen eifersüchtig sein soll oder nicht. Wie sehr hast du ihn geliebt?«
Die Frage war ihm eigentlich nur so herausgerutscht, doch jetzt stand sie im Raum, und alle warteten auf Lilys Antwort. »Wie ein Mädchen«, sagte sie schlicht. »Ich denke, eine Frau liebt anders.«
»Schön formuliert«, sagte Regina nachdenklich. Sie schaute James an und wiederholte leise: »Sehr schön gesagt.«
»Und trotzdem bist du mir in dem Punkt um Längen voraus, denn ich habe vor dir ein solches Gefühl überhaupt nicht gekannt, und bestimmt muss ich noch viel lernen.« Damien saß gewohnt lässig in seinem Sessel, doch der äußere Anschein täuschte. »Willst du es mir beibringen?«
»Wirst du ein williger Schüler sein?« Ihre bebende Stimme strafte den bewusst lockeren Tonfall Lügen.
»Ich will es versuchen.«
Hatte er ihr durch die Blume gerade gestanden, dass er sie liebte? Undeutlich hörte sie, wie die Tür ins Schloss fiel, und bemerkte, dass James und Regina das Zimmer verlassen hatten. Sie war jetzt allein mit Damien.
Er stand auf und zog sie auf die Füße. Seine Arme legten sich um sie, und sein Atem streifte ihre Lippen. »Ich werde bestimmt viel Aufsicht und Übung brauchen.«
»Ich denke, der Herausforderung kann ich mich mit gutem Gewissen stellen, Mylord«, sagte sie atemlos, und dann berührte sein Mund den ihren, ganz zart und schmelzend.
»Ich weiß, dass ich es kann«, erklärte er und blinzelte ihr anzüglich zu, als er den Kopf wieder hob.
Wäre nicht in diesem Moment die Herzoginwitwe in den Salon gekommen, hätte er ihr vielleicht noch nachdrücklicher gezeigt, wie ernst es ihm war.
»Was zum Teufel geht hier vor?«
Damien wich nicht zurück, sondern küsste sie erst ein weiteres Mal, bevor er mit vollendeter Höflichkeit die Dame begrüßte. »Guten Morgen, Euer Gnaden.«
Epilog
»Sie hat die Männer also umgebracht.«
»Ich fürchte, so war es.« Damien beobachtete, wie die Häuser vorbeihuschten. Die Barke fuhr an diesem frühen Herbsttag nur langsam. Die Blätter an den Bäumen hatten bereits einen Hauch jener strahlenden Farben angenommen, mit denen schon bald das Land überschwemmt würde, und der Geruch nach Rauch aus den Kaminen hing schwer in der Luft. Er schaute zu Charles, der mit einer Pfeife in der Hand neben ihm an Deck saß. »Wenn man den Worten ihres eigenen Mannes glauben darf, ist Lady Sebring nicht zurechnungsfähig.«
»Die Erpressung hat sie benutzt, damit die Männer kooperieren.«
»Und sich für ihre Zwecke einspannen ließen«, fügte Damien ironisch hinzu. »Genauso war es nämlich. Wenn man darüber nachdenkt, steckt bei aller Verrücktheit eine hübsche Portion Logik dahinter. Da ihr Ehemann von Anfang an wenig Begeisterung für den Zeugungsakt zeigte, suchte sie nach Gentlemen, die als Ersatz dienen konnten und ihm ähnelten. Viele von uns haben das eine oder andere Laster – wer weiß, wie viele Kinkannon erfolglos angesprochen hat, ehe er die wenigen fand, die bereit waren, statt des Geldes lieber mit ein paar Nächten im Bett einer Frau zu bezahlen, die verzweifelt einen Erben produzieren wollte. Natürlich durfte ihr Geheimnis nicht gelüftet werden, und deshalb mussten diejenigen, die sich auf den Handel einließen, sterben.«
»Das klingt irgendwie völlig widersinnig.«
»Schaut Euch die Natur an: Im Tierreich fressen manche Weibchen ihre Partner, nachdem diese ihre Pflicht erfüllt haben. So ähnlich muss man es wohl sehen.«
»Ja, vermutlich. Trotzdem ist es immer wieder erschreckend, wozu Menschen fähig sind.«
Damien nickte. »Die Wahrheit ist oft unvorstellbar. Allerdings glaube ich, dass es Lady Sebring nur zum Teil darum ging, die Männer zum Schweigen zu bringen. Vielleicht brauchte sie zudem ein Ventil für ihren Frust. Wie wir wissen, erfüllte sich
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