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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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dürfen Lottie keinen Vorwurf machen. Es ist alles
meine
Schuld! Ich habe alles ruiniert. Wenn ich nicht Angst bekommen hätte, ihr nicht nachgestiegen und dabei in das Loch im Gartenbeet gestolpert wäre und so alles vermasselt hätte, dann hätte niemand gewusst, dass sie nicht hier war.«
    »Und wenn ich und meine Begleiter dich nicht jammern gehört hätten, dann lägst du immer noch japsend im Gras wie ein an Land gespülter Dorsch.«
    Dermaßen durch ihre ehemalige Lehrerin in ihre Schranken verwiesen, ergab sich Harriet einem nervösen Schluckauf.
    Lotties Bruder George fischte ein mit einem Monogram besticktes Taschentuch aus seiner Westentasche und reichte es ihr. Nach dem heiligen Georg benannt, konnte er nur selten der Versuchung widerstehen, einem jungen Mädchen zu helfen, das einem Drachen ausgeliefert war. »Sie müssen sich nicht die Schuld geben, Miss Dumwinkle«, erklärte er. »Miss Terwilliger hat alle alarmiert, als sie Lottie nicht in ihrem Zimmer finden konnte. Wäre sie nicht so hartnäckig gewesen, hätte keiner der Gäste meiner Tante je erfahren, dass meine Schwester vermisst wird.« Er lehnte sich mit der weltmüden Anmut an das Kaminsims, die er sich in Europa zu Eigen gemacht hatte, und strich sich eine vorwitzige sandfarbene Locke aus den Augen. »Vielleicht ist die Lage gar nicht so aussichtslos, wie wir fürchten. Das hier ist kaum die erste Patsche, in die Lottie sich gebracht hat.«
    »Aber es kann gut und gerne die Letzte sein.« Miss Terwilliger faltete ihre winzigen, vogelgleichen Hände über ihrem Gehstock und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Sagen Sie, ist Dreistigkeit in Ihrer Familie eigentlich erblich?«
    Georges Miene spannte sich an, und sein trotziger Gesichtsausdruck ließ ihn eher wie zwölf als zweiundzwanzig aussehen. Er öffnete den Mund, schloss ihn rasch wieder, sich nur zu deutlich der Tatsache bewusst, dass jede Erwiderung ihre Einschätzung bestätigen würde.
    Von dem gepolsterten Lehnstuhl in der Ecke des Raumes aus verfolgte Lottie das sich vor ihr abspielende Drama. Sie saß da, die nackten Füße unter dem Saum ihres Nachthemdes verborgen, einen Kaschmirschal um die Schultern; auf ihrem Schoß hatte sich ein flauschiges graues Kätzchen zusammengerollt. Cookie, die geliebte alte Dienerin, die sie praktisch von der Wiege an aufgezogen hatte, war erst vor wenigen Minuten ins Zimmer geschlurft und hatte ihr eine Tasse mit heißer Schokolade in die Hände gedrückt. Bisher unterschied sich die Erfahrung, von einem ehrlosen Mörder beinahe geschändet worden zu sein, kaum von einer schlimmen Erkältung.
    Aber das war nur deshalb so, weil ihr Vormund noch nicht wieder erschienen war, seit er sie in eine Kutsche gesetzt und von dem Haus ihrer Tante hatte fortbringen lassen. Als sie Sterling das letzte Mal gesehen hatte, war er zu St. Clairs Haus zurückgegangen, während ihm ihre gestammelten Erklärungsversuche noch in den Ohren hallen mussten. Besorgt nippte sie an ihrer Schokolade und versuchte, sich vorzustellen, was sich wohl gerade zwischen den beiden Männern abspielte.
    Das Ticken der vergoldeten Uhr auf dem Kaminsims war mehrere angespannte Minuten lang das einzige Geräusch neben Harriets unablässigem Schniefen. Als sie eindöste, sank Miss Terwilligers weißhaariger Kopf auf die Brust, sodass ihr schwarzes Spitzenhäubchen über ihr Ohr rutschte.
    Alle schraken auf, als die Eingangstür krachend ins Schloss fiel. Sterlings feste Schritte, mit denen er das mit Marmor ausgelegte Foyer durchquerte, waren unverwechselbar. Das Kätzchen sprang von Lotties Schoß und flüchtete unter die nächste Ottomane. Lottie wünschte, sie könnte das auch.
    Sie setzte sich auf, als Sterling und Laura das Zimmer betraten. Obwohl ein paar vereinzelte Silbersträhnen Sterlings hellbraunes Haar durchzogen, hatte sein gutes Aussehen kein bisschen in den zehn Jahren gelitten, seit er ihre Schwester geheiratet hatte. Und wären nicht die Sorgenfalten gewesen, die ihre glatte Stirn unter den glänzend braunen Locken durchzogen, hätte man die gertenschlanke Laura mit Leichtigkeit selbst für eine Debütantin halten können statt für eine zweifache Mutter. Selbst als Kind schon war Lottie immer rundlicher gewesen als ihre ältere Schwester.
    Lottie versuchte, so unbekümmert wie möglich zu klingen. »Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ihr würdet die ganze Nacht wegbleiben. Wo sind Nicholas und Ellie? Sind sie nicht mit euch heimgekommen?« Sie hatte gehofft, die

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