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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Abenteuern in Mashonaland und Matabeleland erzählt?«
    »Nein«, sagte Hester etwas überrascht und sah zum Major hin. »Ich dachte, Sie hätten in Indien gedient?«
    »Jaja. Aber in Afrika war er auch schon«, erklärte Edith schnell. »Major« – sie schaute ihn begierig an –, »Sie sollten niederschreiben, was Sie in diesen Ländern erlebt haben, damit wir alle etwas darüber erfahren. Die meisten von uns kommen doch nie aus ihren elendigen, kleinen Londoner Stadtvierteln heraus, geschweige denn in die exotische Wildnis, wo Sie gewesen sind. Überlegen Sie einmal, wie viele Menschen sich einen trostlosen Winternachmittag vertreiben könnten, indem sie ihrer Phantasie bei Ihren Geschichten freien Lauf lassen.«
    Er wirkte zutiefst verlegen, konnte seine Begeisterung jedoch nicht ganz verbergen.
    »Glauben Sie das wirklich, Mrs. Sobell?«
    »Aber ja! Das tue ich in der Tat«, gab Edith im Brustton der Überzeugung zurück. »Ihre Erinnerungen sind absolut klar, außerdem haben Sie eine wundervolle Art zu erzählen.«
    Major Tiplady wurde vor Entzücken dunkelrot und öffnete den Mund, um im Sinne der Bescheidenheit zu widersprechen. Da ihm offenbar nichts einfiel, was nicht unfreundlich geklungen hätte, blieb er stumm.
    »Eine großartige Idee«, bestätigte Hester, die sich für den Major und Edith von ganzem Herzen freute und den Vorschlag darüber hinaus tatsächlich recht gut fand. »Es wird soviel dummes Zeug geschrieben, daß es wirklich wunderbar wäre, wenn jemand einmal echte Abenteuer festhalten würde – und zwar nicht nur für jetzt, sondern auch für spätere Zeiten. Die Menschen werden sich immer für die Entdeckung fremder Länder und Kulturen und die dortigen Zustände interessieren.«
    »Oh, oh.« Major Tiplady strahlte vor Glück. »Vielleicht haben Sie recht. Es gibt momentan jedoch dringendere Angelegenheiten, die Sie zu besprechen haben, meine liebe Mrs. Sobell. Bitte, lassen Sie sich durch ihre gute Kinderstube nicht davon abhalten. Und wenn Sie gern unter vier Augen mit Hester sprechen würden…«
    »Keineswegs«, versicherte Edith. »Aber es stimmt natürlich, was Sie sagen. Wir müssen über den Fall reden.« Das ungewohnte Leuchten in ihrem Gesicht wurde wieder durch Schmerz ersetzt. »Mr. Rathbone hat mit Peverell über den Prozeß gesprochen, Hester. Er ist für Montag, den zweiundzwanzigsten Juni anberaumt, und außer der alten, kläglichen Lüge haben wir immer noch nichts vorzuweisen. Sie tat es nicht wegen Louisa Furnival.« Sie umging das Wort töten.
    »Thaddeus hat sie weder geschlagen, noch hat er sie finanziell kurzgehalten. Von einem Liebhaber keine Spur. Es fällt mir schwer zu glauben, daß sie ganz einfach verrückt ist – aber was bleibt uns sonst?« Sie seufzte und wirkte noch bekümmerter.
    »Vielleicht hat Mama doch recht.« Ihre Mundwinkel wanderten nach unten, als wäre allein das Aussprechen dieses Gedankens Schwerstarbeit.
    »Nein, meine Liebe, lassen Sie den Kopf nicht hängen«, sagte Tiplady sanft. »Uns wird schon etwas einfallen…« Von der plötzlichen Erkenntnis überfallen, daß ihn diese Angelegenheit gar nichts anging, brach er ab. Er war lediglich aufgrund seines Beinbruchs in die Geschichte hineingeraten – rein zufällig. »Es tut mir leid.« Daß er sich schon wieder eingemischt hatte, war ihm außerordentlich peinlich; in seinen Augen bedeutete es eine Todsünde. Ein Gentleman steckte einfach nicht die Nase in anderer Leute Privatangelegenheiten, schon gar nicht, wenn diese anderen Frauen waren.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, erklärte Edith mit einem raschen Lächeln. »Es stimmt ja. Ich habe mich von den Umständen einschüchtern lassen, aber genau dann ist Mut gefragt, nicht wahr? Es ist keine Kunst, den Kopf oben zu behalten, wenn alles gut läuft.«
    »Wir müssen unsere Logik benutzen.« Hester setzte sich auf den verbliebenen Stuhl. »Zwar haben wir fleißig Fakten und Eindrücke gesammelt, unseren Kopf anscheinend aber nicht genügend angestrengt.«
    Edith schien verwirrt, erhob jedoch keinen Einwand. Major Tiplady streckte den Rücken und war mit Feuereifer dabei.
    »Gehen wir einmal davon aus«, fuhr Hester fort, »daß Alexandra bei vollem Verstand ist und die Tat wirklich aus jenem starken Motiv heraus begangen hat, das sie niemandem mitteilen will. In dem Fall muß es einen triftigen Grund für ihr Schweigen geben. Ich habe erst kürzlich mit jemandem gesprochen, der meinte, sie täte es vielleicht zum Schutz einer

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