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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neville Shute
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seinem Gift unter die Epidermis. Der portugiesische
Manowar ist auch nicht zu unterschätzen, aber am peinlichsten finde ich die
Ohrenkoralle.»
    «Ohrenkoralle? Was ist denn das schon
wieder?»
    «Eine Art Gehirnwucherung, deren
Ursache hier dieser feine Korallensand ist. Er dringt einem durch den Gehörgang
ins Hirn», erläuterte Hai, und Joan hatte ein dunkles Gefühl, als werde ihr in
Darwin kein Schwimmbad vergönnt sein. Aber sie täuschte sich. Am Sonntag fuhren
sie auf der einzigen Straße gen Süden etwa vierzig Meilen nach Berry Springs,
wo sie in einer tiefen Flußmulde wundervoll badeten.
    Als sie in ihrem zweiteiligen
Schwimmkostüm in Erscheinung trat, machten die beiden Reporter erstaunte Augen.
Die Wochen, die Joan in Eingeborenentracht vor kurzem in Kuala Telang
verbrachte, hatten ihre Haut an sehr unüblichen Stellen gebräunt, und zum
erstenmal tauchte den scharfen Beobachtern ein Verdacht auf, in diesem
schwarzbraunen Mädchen könne am Ende doch eine Story für «Herald» und «Monitor»
verborgen sein; man müsse sie nur ans Tageslicht bringen!
    «Joe Harman...», murmelte Hal vor sich
hin, «der Name kommt mir bekannt vor; ich weiß bloß nicht, wo ich ihn hintun
soll.»
    Auf der Rückfahrt entwarfen die Herren
ihrer Dame ein recht betrübliches Bild von Port Darwin.
    «Hier geht einfach alles schief»,
meinten sie. «Die Fleischkonservenfabrik, die Sie von außen gesehen haben, ist
schon seit Jahren geschlossen. Es kam zu Arbeiterunruhen. Ein Streik folgte dem
andern; da haben sie die Bude zugemacht. Dann wollte man eine Eisenbahnlinie
nach Süden bis Alice bauen, mit Anschluß an die Strecke Alice-Adelaide, also
quer durch den ganzen Kontinent. Bis Birdum sind sie glücklich gekommen, dann
war wieder einmal Schluß. Wer weiß, wann wieder etwas veranlaßt wird. Der ganze
Verkehr- soweit von Verkehr die Rede sein kann — vollzieht sich hier auf der
Straße. Eine Eisfabrik hatten wir auch — ebenfalls zu!» Hal schwieg eine Weile
und fing dann von neuem an: «Wo Sie hier hinschauen, sehen Sie die Ruinen von
Unternehmungen, die man begonnen hat und wieder fallenließ.»
    «Warum?» fragte Joan Paget. «Der Ort
ist doch gut. Der herrliche Hafen!»
    «Gewiß», bestätigte Porter, «der Hafen
ist nicht kleiner als der von Singapore. Ich versteh das nicht... Es ist zum
Verrücktwerden.»
    «Outbackitis!» konstatierte Hopkinson
ironisch, «eine schleichende Krankheit, in der nördlichen Hälfte Australiens
endemisch.»
    «Aber in Alice Springs ist es anders?»
fragte Joan, und vor ihr stand in frischen Farben das Bild, das vor sechs
Jahren der Ringer ihr ausgemalt hatte.
    «Das schon», bestätigte Stuart
Hopkinson. «Alice ist anders. Gegen Alice läßt sich nichts einwenden.»
    «Warum ist Alice anders?»
    «Weiß der Himmel», war seine Antwort.
«Vielleicht wegen der Bahn. Von dort fahren die Viehwagen nach Adelaide. Es ist
ein blühender Ort; da geht alles vorwärts. Wenn nur der ‹Monitor› mich nach
Alice beordern würde!»
    Am Abend verabschiedete sich Joan von
den beiden neugewonnenen Freunden und fuhr bei Tagesanbruch mit dem Bus nach
Alice. Es war ein großer, moderner, stromliniger Bedford mit einem Anhänger
voll Gepäck und Frachtstücken, sehr bequem eingerichtet, wenn auch leider ohne
Kühlanlage. Das Fahrpersonal bestand aus ehemaligen Matrosen. Mit einer
Stundengeschwindigkeit von fünfzig Meilen ging es über die breite,
menschenleere Chaussee. In Katherine am Katherinefluß wurde das Mittagessen
eingenommen. Die Gegend war recht angenehm mit unscheinbaren Eukalyptusbäumen
bewaldet, die der Volksmund, wie Joan erfuhr, «Gums» nannte. Dazwischen lagen
weite Gebiete unbebaut, unbewohnt, unbeweidet. Sie sprach darüber mit einem
Mitreisenden, einem Bankinspektor, der nach Tennant Creek fuhr. Er meinte, der
ganze Küstengürtel sei zur Bewirtschaftung ungeeignet, weil — den Grund, den er
anführte, verstand die Wißbegierige nicht. Hinter Katherine wurde das Land
immer trockener, die Bäume spärlicher, dürrer, bis sie gegen Abend durch eine
Gegend fuhren, die sich kaum mehr von einer Wüste unterschied. Bei Einbruch der
Dunkelheit hielten sie in Daly Waters.
    Dieser Ort, in dem sie übernachten
sollten, bestand aus einem Hotel, einem Flugplatz mit Post — sonst nichts, und
das «Hotel» nur aus unregelmäßigen, niedrigen Holzhütten mit Schlafsälen für
Männer und Frauen. Joan, die Schlimmeres gewöhnt war, fand sie sogar recht
bequem. Vor dem Abendessen ging sie noch

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