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Eine Tote im Arm

Eine Tote im Arm

Titel: Eine Tote im Arm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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»Aber Sie werden es doch tun ?«
    Sie
schrieb eine Adresse auf ihren Notizblock, riß das Blatt ab und reichte es mir.
»Ja, ich werde es tun, Mr. Holman .«
    »Gegen
acht ?« schlug ich vor.
    »Ausgezeichnet !« sagte sie.
    Sie
wartete, bis ich an der Tür angelangt war.
    »Ein
bißchen Öl und ein paar Volt reichen völlig«, murmelte sie gerade so laut, daß
ich es noch hören konnte. »Wir Elektronenrechner brauchen nicht viel .«
     
     
    Die
Telefonverbindung war sehr umständlich. Sie nahm ihren Anfang bei dem Mädchen
am Empfang, durchlief vier bis fünf Sekretärinnen und ebensoviel Büros, bis sie schließlich das innere Heiligtum Marty Jennings’ selbst
erreichte. Umgekehrt ergab sich natürlich dieselbe Möglichkeit, und so konnte
dadurch unter Umständen eine schreckliche Abwehrwaffe entstehen, sofern man
nicht jemand war, den der Produzent im Augenblick zu sprechen wünschte. Ich
teilte der Empfangsdame meinen Namen mit, erklärte ihr, die Angelegenheit, die
ich mit Mr. Jennings zu besprechen habe, sei persönlicher Art, und ließ mich
nieder, um zu warten. Es dauerte genau dreißig Sekunden, bis ich in das innere
Heiligtum eingelassen wurde. Also wußte Jennings Bescheid, überlegte ich, wenn
ich mir im Augenblick auch nicht darüber im klaren war, woher.
    Irgendwo
— vielleicht hoch oben in den Bergen Hollywoods verborgen — gibt es eine Gußform . Ein feuchter Klumpen menschlicher Tonmasse wird genommen, in die Gußform geworfen und dann eine Weile inmitten eines Technicolor -Feuers
gebacken — und heraus kommt ein Marty Jennings oder ein Bruce Milford oder hundert andere Burschen wie sie. Sie sind alle
geboren, um eine kleine Welt zu erben, die völlig aus Zelluloid zusammengesetzt
ist; ihre Gehirne sind so konstruiert, daß sie diese Welt im Ernst für die
wirkliche Welt halten und daß alles, was außerhalb von ihr liegt, unwirklich
und unwichtig ist — einschließlich San Francisco. Einem überraschend hohen
Durchschnitt dieser aus der bewußten Gußform stammenden Individuen ist Verstand, echtes Talent und großer persönlicher
Charme gegeben; deshalb läßt sich der unerfahrene Beobachter oft dazu
verleiten, zu glauben, es handle sich um wirkliche Menschen. Es ist ihm
natürlich nicht klar, daß die Statussymbole die Zelluloidwelt mit
unerbittlicher Disziplin regieren, so daß der geforderte Preis, der Platz in
der Studiohierarchie, die relative Machtposition, alles bedeutet; und wenn der
Erfolg dadurch erreicht werden kann, daß man ein paar unerhebliche kleine
Details, wie Ehrlichkeit, Redlichkeit und Menschlichkeit opfern muß, so ist das
nicht der Rede wert. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, und ich habe sogar
einmal eine kennengelernt.
    Dies
war das erstemal , daß ich Marty Jennings traf, aber
ich wußte eine Menge über ihn, wahrscheinlich hauptsächlich deshalb, weil wir
aus derselben Gußform stammten. Er war etwas über
Vierzig, mittelgroß, ein bißchen dünn — aber das entsprach großartig der
Vorstellung des Intellektuellen. Ein leicht hageres Gesicht paßt ausgezeichnet
zu zottigem braunem Haar und einer fest zwischen die Zähne geklemmten kalten
Pfeife. Nichts wird in dieser Branche mehr geschätzt als ein Produzent, der an
jedem seiner Filme Geld verdient, aber dabei noch immer aussieht wie ein Mann,
der im Grund seines Herzens nichts als ein selbstgestrickter Idealist ist.
    Seine
Augen gefielen mir wegen der angeborenen Bösartigkeit, die sich in ihnen
ausdrückte, nicht besonders; aber Farbe und Form waren großartig — graugrün mit
schweren Lidern. Er blickte einen die ganze Zeit über unentwegt an, aber man
hatte dabei das Gefühl, daß er einen nur selten sah. Aber schließlich — um fair
zu sein — war sein gesamtes Büro als Schrein entworfen worden, in dem Marty
Jennings in Ruhe das leuchtende Phantasiegebilde Marty Jennings anbeten konnte
und in dem jeder Eindringling nicht mehr war als Schmutz auf dem Teppich.
    »Wir
kennen uns nicht, aber ich weiß alles über Sie, Mr. Holman «,
sagte er mit einer lebhaften Stimme, die einigermaßen freundlich klang und ihn
als ein Mann von festen Entschlüssen erkennen ließ. »Setzen Sie sich. Ja?«
    Der
Stuhl war vage wie ein Schwan mit spastischen Flügeln geformt. Er löste bei
mir, als ich mich niederließ, ein gewisses Schuldgefühl aus, denn ich fand, daß
er auch ohne mein zusätzliches Gewicht bereits genügend Schwierigkeiten zu
bewältigen hatte.
    »Ja«,
sagte er glatt, »Edwina Ballard hat mich angerufen

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