Eine Trillion Euro
unseren eigenen Vorstellungen.
Ehe diese Anthologie also in Katastrophismus und Melancholie versinkt: Es werde Humor! Aber schwarz bitte!
Habe die Ehre, euer Allerdurchlauchtigste Horhwohlgeboren …
Chip ahoi!
von Leo Lukas
Oho, sieh mal einer an, ich habe Gesellschaft bekommen. Dürfte kurz ein wenig eingenickt sein. Ein herzliches Grüß Gott, junger Mann! Nein, nein, bleiben Sie liegen, Sie sind gewiss ebenso müde von der Untersuchung wie ich. Und die Narkose wird auch demnächst zu wirken beginnen. Dann haben wir’s endlich hinter uns, gell?
Pardon, ich vergaß, mich vorzustellen. Thilotto von Lothring mein Name. Nie gehört? Verstehe. Sie bewegen sich wohl nicht in höheren Adelskreisen? Nun, muss ja nicht jeder. Soll auch gar nicht, haha. Wo kämen wir denn dahin? Ohne Volk kein Adel. Oder, wie ich immer sage: Ein Palast wirkt umso prunkvoller, je schäbigere Hütten drum herum stehen. Rein metaphorisch gesprochen, versteht sich.
Darf ich fragen, wie Sie heißen? Aha. Sehen Sie, das sagt jetzt wieder mir nichts. Wir sind einander gänzlich unbekannt. Gleichwohl hat uns das Schicksal in diesem kleinen Zimmer zusammengeführt. Wie das Leben so spielt, gell?
Bei mir war, genau genommen, die treibende Kraft meine Gattin. Die Baroness, das Goldstück. Will immer nur mein Bestes, die süße Ermengilda. Liebster Thilotto, hat sie gesagt, da gibt es jetzt eine neue Erfindung, die ist wie maßgeschneidert für dich. Wo du dich doch immer so ärgerst über die Umständlichkeiten im Zahlungsverkehr und die komplizierten Prozeduren der personellen Identifikation. Ich kann’s nicht mehr mit anschauen, hat sie gesagt, wie du dir jedes Mal wieder deinen unvergleichlichen Charakterkopf zermarterst, weil dir nicht einfallen will, wo du deine Schlüssel liegen gelassen hast. Oder deine Geldbörse. Die Kreditkarten. Die Mitgliedsausweise für deine Klubs. Und und und. Ein dermaßen geniales, für Großes geborenes Hirn wie deines, hat sie gesagt, sollte verschont bleiben von solchem Kleinkram. Und da hab ich ihr natürlich nicht widersprochen. Allein, wie mich mein Buchhalter immer quält wegen der Rechnungsbelege. Horribel, sage ich Ihnen, junger Mann. Da kriegt man, zum Exempel, spontan Lust, sich zwischendurch, weil einem halt gerade danach ist, flugs mal eine neue Limousine zu kaufen – und dann dauert die finanzielle Abwicklung bald länger als das Zusammenschrauben des ganzen Wagens! Schrecklich, wie einen so etwas inkommodiert. Man hat seine Zeit schließlich nicht gestohlen, gell?
Naja. Ab morgen ist jedenfalls Schluss mit dem Papierkram. Herrlich. Ein dreifach Hurra den Segnungen der Technik!
Ich bin jetzt zwar, unter uns, nicht direkt ein Freund der kybernetischen Chirurgie. Doch dafür, dass ich mit all dem Firlefanz nie mehr Scherereien habe, lege ich mich gern unters Messer, das dürfen Sie mir glauben. Zumal mir Ermengilda, mein Augenstern, versichert hat, dass diese Klinik absolut vertrauenswürdig ist. Sie war selbst schon öfter hier, anlässlich kleinerer kosmetischer Verbesserungen. Obwohl sie es wahrlich noch nicht nötig hätte. Zählt grade einmal halb so viele Lenze wie ich, die Guteste. Aber Sie kennen ja das Weibsvolk. Ach Thilotto, hat sie gesagt, das tu ich doch alles nur für dich, mein Schnäuzelbärchen. Die Schönste von allen will ich sein, hat sie gesagt. Das Beste sollst du haben, hat sie gesagt, denn nur das ist gut genug für dich. Und da hab ich ihr natürlich nicht widersprochen.
Ah, sehen Sie, junger Freund, Sie fangen auch bereits zu gähnen an. Das wird die Spritze sein. Schon erstaunlich, dass der ganze Eingriff in so kurzer Zeit erledigt ist, gell? Wochenlang wartet man auf den Operationstermin, und dann geht’s über Nacht, ruck-zuck! Längstens morgen Mittag werden wir wieder entlassen. Mit dem famosen Chip in der Schläfe, auf dem alles gespeichert ist, alle persönlichen Daten, alle relevanten Zahlen, einfach tutto completto, wie der Franzmann sagt. Und selbstredend ist auch ein Sender eingebaut, wegen der Vernetzung. Chip ahoi! Wie Zauberei geht das: Du steigst ins Auto, und das Schlosstor öffnet sich. Betrittst den Klub, derweil schenkt oben der Barkeeper schon den Portwein ein. Besorgst ein Mitbringsel für die Frau Gemahlin – nichts Großes, eine Füllfeder mit einem Brillanten darauf, oder etwas in der Art –, und alles wird sofort abgerechnet, zack!, ist es schon verbucht, als Betriebsausgabe oder karitative Spende, was weiß ich. Will ich gar nicht
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