Eine Vampirin auf Abwegen: Argeneau Vampir 1
echter Hammer hatte sich Marguerites Reaktion erwiesen, als Martine sie auf die Vampire/Keine-Vampire-Liste auf dem Couchtisch aufmerksam gemacht hatte. Lissiannas Mutter war blass geworden, hatte unglücklich dreingeschaut und gesagt: „Er weiß jetzt, wer wir sind. Das erklärt, wieso es noch schwieriger geworden Ist, ihn zu beeinflussen. Was machen wir jetzt?”
„Nun”, hatte Martine bedächtig gesagt, „Ich habe in sein Hirn ge‘schaut, Marguerite, und er.... ”
Mehr hatte Greg nicht von ihrem Gespräch mitbekommen.
Martine war aufgestanden, hatte Marguerite zu sich herübergewunken und leise auf sie eingeredet. Das Interessante war, dass, sobald Martine ihn nicht mehr berührt und sich wegbewegt hatte, Greg von dem Zwang befreit gewesen war, auf der Couch sitzen bleiben zu müssen. Sein Verstand hatte wieder ihm gehört und sich sofort Gedanken darüber gemacht, was er tun sollte: Fliehen, die Polizei rufen oder die Tausende von Fragen stellen, die sich plötzlich für ihn auftaten. Greg war hin- und hergerissen gewesen. Ein Teil von ihm war schrecklich verängstigt, der andere schrecklich neugierig.
Bevor er entscheiden konnte, mit welchem Teil er weitermachen würde, hatten die Frauen ihr Gespräch beendet, und Martine war wieder an seiner Seite gewesen. Als sie ihn erneut am Arm berührt hatte, hatte Greg diesen fremden Zwang in sich gespürt.
Er hatte die Wohnung mit den beiden Frauen verlassen, war im Fahrstuhl mit ihnen nach unten gefahren, aus dem Gebäude hinausgegangen und hatte sich ruhig in denselben Van gesetzt, in dem Lissianna und ihre Verwandten ihn erst kurz vorher in seine Wohnung gebracht hatten. Diesmal hatte er sich auf die erste der beiden hinteren Bänke und Martine sich neben ihn gesetzt.
Sobald er bei ihrem Haus angekommen und ausgestiegen war, war er seelenruhig hineingegangen und direkt hoch in das Schlafzimmer, wo er sich erneut fesseln ließ.
Greg hatte erst begonnen zu schreien und sich zu wehren, als sie mit dem Fesseln fertig waren und Martine seinen Arm losgelassen hatte. Seine Gedanken waren sofort wieder seine eigenen, und er war enorm wütend gewesen, als er sah, was mit ihm passiert war. Er hatte sie angeschrien, aber die Frauen waren einfach darüber hinweggegangen und hatten ihn allein gelassen.
Er hatte anschließend noch so lange weitergebrüllt, bis er schließlich heiser war.
An diesem Morgen fühlte er sich viel ruhiger. Greg nahm an, dass er sich eigentlich vor Lissianna fürchten müsste.... oder auch vor ihren Cousinen. Aber das war nicht der Fall. Er fand es schwierig, sich vor Leuten zu fürchten, die man in ihrem Nachtzeug gesehen hatte; Babydolls und Spiderman-Schlafanzüge waren erst recht nicht sonderlich furchteinflößend. Martine und Marguerite fand er dagegen aus irgendeinem Grund ein wenig einschüchternder.
„Hm”, sagte er schließlich, „ihr seht alle ziemlich gut aus für Tote.”
Lissianna blinzelte und fand seine Worte offenbar schockierend. Aber sie war nicht annähernd so schockiert wie Greg selbst; er konnte sich selbst nicht erklären, warum er das gesagt hatte. Gott! Wie geschickt er sich doch wieder angestellt hatte! Kein Wunder, dass seine Familie glaubte, er benötigte Hilfe, um eine Frau zu finden.
„Wir sind nicht tot”, sagte Lissianna schließlich, und Greg hörte auf, sich für seine dumme Bemerkung geistig zu ohrfeigen, sondern schaute sie fragend an.
„Aber Sie sind doch Vampire. Nosferatu, die Untoten.... ” Er fuhr bei diesem Wort zusammen, dann sagte er: „Aha, ich verstehe. Sie sind Untote.” Bevor Lissianna es bestätigen oder abstreiten konnte, fragte er: „Werde ich jetzt, da Sie mich gebissen haben, auch ein Vampir? Oder bin ich nur im Renfield-Stadium und fange an, Käfer zu essen?”
„Sie haben sich nicht in einen Vampir verwandelt, und Sie werden auch nicht plötzlich den unerklärlichen Drang verspüren, Käfer zu essen”, versicherte Lissianna ihm geduldig.
„Das ist gut. Ich kann Käfer nicht ausstehen. Um ehrlich zu sein, habe ich eine Insektenphobie.”
Sie blinzelte überrascht. „Sie behandeln Phobien und haben selbst eine?”
Er zuckte ein wenig verlegen die Achseln. „Es heißt doch auch immer, ein Klempner habe tropfende Wasserhähne, ein Steuerberater sei mit seiner eigenen Steuererklärung immer zu spät dran.... ”
„Und der Phobieexperte hat selbst eine Phobie”, schloss sie amüsiert. Dann fügte sie ernster hinzu: „Wir sind nicht tot, Greg.”
Greg war ratlos.
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