Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Titel: Einen Stein für Danny Fisher: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Robbins
Vom Netzwerk:
konnte.
    Sie eilte zur Eingangstür, um ihn abzufangen, ehe er weiterfuhr.
    Als sie die Tür geöffnet hatte, sah sie, daß der Milchmann vor seiner Vorratskiste kniete. Er erhob sich langsam, mit einer merkwürdig schuldbewußten Miene. "Morgen, Missus Fisher", sagte er in einem auffallend verlegenen Ton.
    "Guten Morgen, Borden, das ist aber gescheit, daß ich Sie noch erwischt hab", erwiderte Mamma. Die Worte kamen ihr, nach der geringen Anstrengung, bereits atemlos über die Lippen. "Heute brauch ich Eier und Butter."
    Der Milchmann trat verlegen von einem Fuß auf den andern. "Ja, Missus Fisher ... es tut mir leid .. . aber..." Seine Worte wurden unverständlich.
    Enttäuschung malte sich auf ihrem Gesicht. "Sie meinen, daß Sie bereits ausverkauft sind?"
    Er schüttelte stumm den Kopf und wies mit der Hand auf das Kästchen, das an der Wand der Veranda angebracht war.
    Mamma sah ihn verwundert an. "Ich... ich versteh nicht", sagte sie zögernd, während ihre Augen seinem Zeigefinger folgten. Da verstand sie. In dem Kästchen befand sich bloß der gelbe Rechnungszettel, nur die Rechnung -und keine Milch.
    Sie griff langsam nach der Rechnung und begann sie zu studieren. Die Lieferungen an sie sollten eingestellt werden, weil sie der Firma die Bezahlung für drei Wochen schuldig geblieben war. Sie sah den Milchmann mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. Ihr Gesicht war jetzt totenblaß, und sie sah furchtbar krank aus.
    "Es tut mir leid, Missus Fisher", murmelte er teilnehmend.
    Über den Rasen vor dem Haus kam der Sprühregen eines Wasserstrahls. Da bemerkte sie auf einmal Mr. Conlon, der seinen Garten sprengte. Er sah zu ihr hinüber.
    Jetzt bemerkte er ihren Blick. "Guten Morgen, Mrs. Fisher", rief er mit dröhnender Stimme.
    "Guten Morgen", erwiderte sie mechanisch. Es mußte etwas geschehen, denn sie war überzeugt, daß er alles gesehen und gehört hatte. Sie überflog nochmals ihre Rechnung: vier Dollar und zweiundachtzig Cent. Sie hatte gerade noch fünf Dollar in dem Glas über dem Spültisch.
    Sie zwang sich zu sprechen und versuchte sogar zu lächeln. Ihre Lippen waren fast weiß, und ihr Lächeln glich der Grimasse einer Marmorstatue.
    "Ausgezeichnet", sagte sie mit erzwungen ruhiger Stimme zu dem Milchmann, "ich hatte auch gerade die Absicht, die Rechnung zu bezahlen. Warten Sie einen Augenblick."
    Sie schloß die Tür rasch hinter sich zu und lehnte sich eine Sekunde kraftlos dagegen; die Rechnung flatterte aus ihren zitternden Fingern auf den Boden. Sie versuchte gar nicht sie aufzuheben; sie hatte Angst, dabei ohnmächtig zu werden. Statt dessen eilte sie in die Küche und holte das Geld aus dem Glas über dem Spültisch.
    Sie zählte die Banknoten langsam und widerstrebend, als könnten sie sich beim Nachzählen durch ein Wunder verdoppeln. Es blieben aber doch nur fünf Dollar. Sie fröstelte. Ein nervöser Schauer lief ihr über den Rücken, während sie sich umdrehte und zur Tür zurückkehrte.
    Der Milchmann stand auf der Veranda, am selben Fleck, auf dem sie ihn verlassen hatte, er trug allerdings jetzt ein Drahtkörbchen, in dem sich Milch, Butter und Eier befanden. Sie reichte ihm stumm das Geld, er steckte es in die Tasche und zählte ihr das Wechselgeld von achtzehn Cent in die Hand.
    "Und hier sind die bestellten Waren, Missus Fisher", sagte er verständnisvoll und vermied es, sie anzublicken.
    Sie wollte ihm sagen, er solle sie behalten, wagte es aber nicht. Scham überwältigte sie, während sie ihm das Körbchen aus der Hand nahm. Sie sprach kein Wort.
    Er räusperte sich, "'s ist nich meine Schuld, Missus Fisher. Der Mann in der Buchhaltung drunten im Büro ist schuld. Verstehn Sie?"
    Sie nickte. Sie verstand sehr gut. Er drehte sich um und lief die Stufen hinunter. Sie sah ihm nach. Mr. Conlons Stimme dröhnte wieder herüber.
    "Wird heut wieder 'ne Prügelhitze, Mrs. Fisher", sagte er lächelnd.
    Sie sah ihn völlig abwesend an. Ihre Gedanken waren weit weg. "Ja, es sieht so aus, Mr. Conlon", erwiderte sie leise und begab sich, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, in die Küche zurück.
    Sie stellte Milch, Butter und Eier nachdenklich in den Eisschrank. Er sah dennoch leer aus. Sie hatte das Bedürfnis zu weinen, aber ihre Augen blieben trocken. Von der Treppe her hörte sie ein Geräusch. Sie schloß den Eisschrank hastig. Die Familie kam zum Frühstück herunter.
    Einige Minuten später standen Milch, Butter und Eier auf dem Tisch und sie begannen zu frühstücken.

Weitere Kostenlose Bücher