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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Weiß nich’, wie lang das gedauert hat. Hat ja keinen Sinn, die Zeit zu zählen.«
    Monk glaubte, ein Grinsen über ’Orries Gesicht huschen zu sehen, beschloss aber, so zu tun, als hätte er nichts bemerkt. »Waren Sie spät dran, als Sie zu ihm zurückkehrten?«, fragte er scharf.
    Diesmal verriet ’Orrie Unbehagen. Verlegen trat er von einem Bein auf das andere. »Jaaa. Bin aufgehalten worden. Irgend so ein blöder Hund wollte mich nich’ bezahlen, und da mussten wir ihn ein bisschen grober bitten. Fragen Sie Crumble.«
    Monk blickte Coburn an.
    »Crumble is’ einer von Parfitts Zuhältern«, klärte ihn Coburn auf.
    ’Orrie starrte ihn vorwurfsvoll an. »Solche Sachen sollten Sie nich’ sagen, Mr Coburn! Crumble is’ sein Mädchen für alles.«
    Coburn zuckte mit den Schultern.
    Monk verfolgte das Thema nicht weiter. Wahrscheinlich sagte ’Orrie die Wahrheit, und es war durchaus möglich, dass keiner von ihnen klare Angaben über die Uhrzeit machen konnte. Er würde die jeweiligen Einkommensquellen überprüfen müssen, um festzustellen, ob ’Orrible Jones ein plausibles Motiv dafür hatte, entweder Parfitt eigenhändig zu töten oder eine dritte Person, die die Tat begangen hatte, zu decken.
    Sie befragten ’Orrie noch eine Zeit lang, doch der hatte seinen Angaben nichts mehr hinzuzufügen außer der einfachen Tatsache, dass er Mickey Parfitt kurz nach elf Uhr zu dessen Boot hinausgerudert hatte, das stromaufwärts oberhalb der Chiswick Ait, wie die kleine Insel dort genannt wurde, vor Anker lag. Seiner Aussage zufolge hatte er mit der Rückkehr zum Boot bis Mitternacht gewartet, war jedoch durch einen Krawall in einer der Tavernen aufgehalten worden, weil ein Kunde sich weigerte, mehrere Drinks zu bezahlen. Monk hatte keine Zweifel daran, dass es sich bei dem Etablissement um ein Bordell handelte, aber auch das half ihm nicht dabei, genau zurückzuverfolgen, was ’Orrie um welche Zeit getan hatte. Als ’Orrie kurz vor ein Uhr zurückgerudert war, konnte er Mickey nirgends entdecken. Er gab an, er habe nach ihm gesucht, bis er sich sagte, dass das zwecklos sei. Dann sei er heimgefahren und habe sich schlafen gelegt.
    Als Mickey am Morgen immer noch nicht aufgetaucht war und ’Orrie ihn auch nicht in seinem Haus antraf, machte ’Orrie sich solche Sorgen, dass er zu Tosh lief und ihn weckte. Tosh forderte ihn auf, sich wieder ins Bett zu legen, doch stattdessen machte ’Orrie sich allein auf die Suche nach Mickey. Nach einer guten Stunde fand er die Leiche.
    Monk ließ ’Orrie vorläufig laufen und konzentrierte seine Ermittlungen nun auf Crumble, der offenbar keinen anderen Namen hatte. Er traf ihn im Keller des Gasthofs an, wo er Fässer mit einer Leichtigkeit herumwuchtete, die Monk einem derart kleinen Mann gar nicht zugetraut hätte. Crumble war weniger als fünf Fuß groß und hatte auffällig runde Augen, während seine Gesichtszüge so unscharf waren, dass sie zu verschwimmen, ja, ineinander überzugehen schienen. Dichte Augenbrauen wucherten über seiner formlosen Nase, deren Knochen ihm vielleicht etwas zu oft gebrochen worden war. Er sprach mit leiser, merkwürdig hoher Stimme.
    »Wir ham ein bisschen Hilfe gebraucht«, erklärte er, als sie ihn auf ’Orries verspätete Rückkehr zu Parfitt in der Nacht davor ansprachen. »Wir ham gar nich’ an die Zeit gedacht. Können doch die Leute nich’ gehen lassen, solang sie nich’ gezahlt haben. Wenn das die Runde macht, versuchen’s bald alle. Mr Parfitts Geld.«
    Monk nahm sich vor, in Erfahrung zu bringen, in wessen Besitz es nun übergehen würde, und vielleicht auch, wie viel es grob geschätzt war. Für diese Aufgabe würde Constable Coburn sich gut eignen.
    Einmal mehr spielte er alle zeitlichen Abläufe des Abends durch, dann dankte er Crumble und ging.
    Es war bereits nach sechs Uhr, als Monk und Orme endlich stromaufwärts auf Mortlake zuhielten. Sie hatten sich ein Polizeiboot geliehen, mit dem sie vom Nordufer in südlicher Richtung ruderten. Zu guter Letzt näherten sie sich dem großen Boot, das dicht bei den Bäumen in einer stillen, vom Ufer aus schwer einzusehenden Bucht vor Anker lag, wo es vor dem Kielwasser der vorbeifahrenden Barken geschützt war.
    Das Nordufer ihnen gegenüber war sumpfig und völlig verlassen – eine Gegend, in der nicht mit Wanderern zu rechnen war. Es gab dort keine Wege, keine Stelle, um ein Boot zu vertäuen, und auch nicht den geringsten Anlass dazu.
    Sie glitten über das leuchtende

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