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Einer trage des anderen Schuld

Einer trage des anderen Schuld

Titel: Einer trage des anderen Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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von der oberen Halle herabführte, war stellenweise nachgedunkelt. Oben stand eine mit handgeschnitzten Tieren verzierte Vitrine, die sorgfältig ausgebessert worden war.
    De r T eppich im Frühstückszimmer war wunderschön, doch hatte die Sonne zahlloser Sommer die Farben ausgebleicht. Das Leder der Stühle war an manchen Stellen abgewetzt. Zu einer anderen Zeit wäre Monk von diesem Anblick hingerissen gewesen, heute aber tat er ihm weh, schürte er doch seinen Zorn gegen Mickey Parfitt und all jene, die Parfitt wegen ihrer Schwäche in den Schmutz gezogen hatte.
    Monk erklärte dem Butler, dass er warten würde, bis Mr Cardew gefrühstückt hatte, und bat darum, in der Zwischenzeit den Kammerdiener sprechen zu dürfen. Er empfand es als hinterlistig, dass er die Abbildung des Halstuchs erst einem Bediensteten zeigte und dabei dessen Arglosigkeit ausnutzte, doch letztlich war sein Vorgehen weniger grausam, als wenn er die Bewohner des Hauses in eine Lage versetzt hätte, in der sie lügen konnten und es dann zwangsläufig auch getan hätten.
    Als das Halstuch identifiziert worden war, wartete Monk, bis Rupert endlich im Frühstückszimmer erschien. Er wirkte so entspannt und charmant wie bei ihrer ersten Begegnung in der Klinik in der Portpool Lane.
    »Morgen, Monk«, begrüßte ihn Rupert lächelnd, nur um jäh stehen zu bleiben. »Himmel, Mann! Sie sehen ja schrecklich aus! Mrs Monk fehlt doch hoffentlich nichts!« Einen Moment lang flackerte Besorgnis über sein Gesicht, als nähme er tatsächlich Anteil.
    Monk spürte die Täuschung in sich brennen. Erneut zog er die Zeichnung aus der Jackentasche und hielt sie Rupert unter die Augen. »Ihr Diener sagt, dass das hier Ihnen gehört. Es ist ziemlich auffällig.«
    Rupert runzelte die Stirn. »Das ist ein Stück Papier! Haben Sie mein Halstuch gefunden oder nicht?«
    »Wenn es Ihres ist, ja. Gehört es Ihnen?«
    Rupert starrte ihn verständnislos an. »Wieso, um alles auf der Welt, ist das so wichtig? Ja, es gehört mir. Warum?«
    Für einen Moment beschlichen Monk Zweifel. Wusste dieser Mann wirklich nicht, was er getan hatte? War Parfitt so wertlos, dass er tatsächlich glaubte, ihn zu töten sei ohne Belang gewesen?
    Als leierte er eine sinnlose Litanei herunter, sagte Monk: »Es wurde für die Ermordung eines Mannes namens Mickey Parfitt verwendet. Wir fanden seine Leiche im Wasser bei …« Er verstummte.
    Rupert wurde aschfahl. Plötzlich hatte er begriffen.
    »Und Sie glauben, dass ich das getan habe?« Es bereitete ihm Mühe, die Worte auszusprechen, so als wäre seine Kehle auf einmal ausgetrocknet. Er geriet ins Schwanken, griff nach irgendeinem Halt, doch es war nichts da.
    »Ja, Mr Cardew, das glaube ich«, sagte Monk ruhig. »Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich könnte glauben, er wäre eines natürlichen Todes gestorben, aber das ist unmöglich. Er wurde mit Ihrem Halstuch erdrosselt.«
    »Ich …« Rupert machte eine ruckartige Handbewegung; seine Augen blieben dabei fest auf Monks Gesicht gerichtet. »Hat es irgendeinen Sinn, wenn ich das leugne?«
    »Es liegt nicht an mir, das zu entscheiden. Ich könnte mich dafür entscheiden, Ihnen zu glauben, was immer die Fakten sagen. Aber Sie kannten ihn, Sie waren Stammgast auf seinem grauenhaften Boot. Er hat die meisten seiner Kunden erpresst. Es war nur eine Frage der Zeit, wann der erste zusammenbrach.«
    »Ich habe ihn nicht umgebracht«, sagte Rupert ruhig, das Gesicht dunkelrot. »Ich habe gezahlt.«
    »Und Sie haben das Halstuch jemand anders geliehen, damit er ihn umbringt?«
    »Es wurde gestohlen. Ein, zwei Nächte davor. Oder … ich habe es verloren. Ich weiß es nicht.« Ruperts Miene verriet, dass er nicht erwartete, Monk würde ihm glauben.
    Monk wünschte, er würde aufhören. Es war hoffnungslos. »Bitte machen Sie es nicht noch schlimmer, als es ohnehin schon ist«, bat er ihn.
    »Haben Sie es meinem Vater gesagt?«
    »Nein. Sie dürfen mit ihm sprechen, wenn Ihnen das lieber ist. Aber ich muss Sie bitten, nicht …«
    »Wegzulaufen?« Für einen Moment blitzte bitterer Humor in Ruperts Augen auf. »Keine Sorge. Bitte warten Sie hier. Ich bin in ein paar Minuten zurück.«
    Er hielt Wort. Zehn Minuten später saß er zwischen Monk und Orme im Hansom.

5
    Rathbone befiel ein eisiges Gefühl in der Magengrube, als sein Diener ihm meldete, dass Monk im Wartezimmer saß und müde und ziemlich niedergeschlagen wirkte.
    »Schicken Sie ihn herein«, forderte der Anwalt ihn

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