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Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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aufzustehen. Als sie seine Hand unter ihrem Kleid, auf ihrem Schenkel, spürte, seufzte sie nur zufrieden.
    Als sie später, entspannt und befriedigt, zusammen im Bett lagen, sagte er: «Weißt du, ein bißchen Angst habe ich schon. Ich verstehe im Grunde gar nichts von Politik, und ich bin einer der wenigen Neuen. Man wird mir alle möglichen Fragen stellen …»
    «Das muß ich mir überlegen. Kommen Sie morgen noch einmal vorbei.»
    «Wie bitte?» fragte er verblüfft.
    «Das wirst du ihnen sagen, wenn du nicht weißt, wie du dich verhalten sollst. Inzwischen besprechen wir die Sache und überlegen uns eine Stellungnahme.»
    «Du wirst mir dabei helfen?»
    «Natürlich. Ich werde dir die Geschäfte führen. Nach ein, zwei Amtszeiten als Senator kommt der nächste Schritt.»
    Er dachte an das Bild von Pferd und Jockey. «Willst du etwa mit mir nach Washington reiten?»
    «Ganz recht, Herr Abgeordneter. Und wenn die Zeit gekommen ist, versuchen wir es später beim Senat in Washington. Wer weiß, vielleicht reite ich dich noch ins Weiße Haus hinein.»
    «Das Weiße Haus?» Er wollte sich ausschütten vor Lachen. «Stell dir vor, ich, John Scofield, als Präsident der Vereinigten Staaten. Und was bist dann du?»
    «Die First Lady natürlich.»
    «Meine First Lady bist du jetzt schon», sagte er ernst. «Machen wir es offiziell?»
    «Selbstverständlich.»
    «Wann?»
    «Nach der Wahl.»
    «Warum nicht gleich? Wozu noch warten?»
    «Das wäre eine schlechte Taktik. Ich bin Jüdin, wir müssen uns also von einem Rabbi trauen lassen. Es gibt genug engstirnige Menschen, die so was in den falschen Hals bekommen und aus lauter Bosheit die anderen wählen würden.»
    «Wieso müssen wir uns von einem Rabbi trauen lassen?»
    «Weil die Familie der Braut die Hochzeit ausrichtet. Du kannst von meinem Vater nicht erwarten, daß er mit einem protestantischen Pfarrer verhandelt.»
    «Und wie wäre es mit einem Friedensrichter oder einem Standesbeamten? Ich weiß –»
    «Nein», sagte sie mit Nachdruck. «Das würde meine Leute kränken, und mir wäre es auch nicht recht. Da hätte ich nicht das Gefühl, richtig verheiratet zu sein.»
    «Ganz wie du willst, mein Schatz.»

22
    Morris Halperin nieste. Einmal. Und noch einmal.
    «Kriegst du einen Schnupfen, Morris?» fragte seine Frau.
    «Nein.» Er atmete mühsam durch die Nase. «Ich hab ihn schon.»
    «Vielleicht gehst du dann heute lieber nicht zur Sitzung. Schluck zwei von deinen Tabletten und leg dich ins Bett.»
    «Das mit den Tabletten ist eine gute Idee, aber die Sitzung kann ich unmöglich schwänzen. Wenn ich nach Hause komme, nehme ich noch zwei und lege mich dann gleich hin.»
    «Du mußt es ja wissen.» Sie ging zum Medizinschränkchen. «Es sind nur noch zwei da.»
    «Ich hol mir Nachschub in der Apotheke.»
    Der Magistrat trat jeden Mittwochabend zu einer Sitzung zusammen, an der Morris Halperin als Stadtsyndikus teilnehmen mußte. Vor der öffentlichen Sitzung trafen sich die fünf Magistratsmitglieder eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten in ihrem Büro, das gerade groß genug für fünf Schreibtische war, um die Tagesordnung der bevorstehenden Sitzung zu besprechen und die Reihenfolge der Fälle festzulegen. Gewöhnlich kam dann Morris Halperin dazu, um sie notfalls juristisch zu beraten.
    Auf der Fahrt zum Rathaus hatte Halperin den Eindruck, daß die Tabletten ihm einen klaren Kopf verschafft hatten. Aber kaum saß er in dem stickigen Magistratszimmer, als er wieder niesen mußte.
    «Ein Schnupfen im Anzug, Morris?» fragte Tom Bradshaw, der Vorsitzende.
    «Eher in der Nase», gab Halperin etwas gereizt zurück.
    «Weißt du was? Dagegen ist ein kräftiger Schluck genau das richtige.» Bradshaw langte ins untere Schreibtischfach und holte eine Flasche und ein Glas heraus. Er schenkte ein und reichte Halperin das Glas.
    «Du, ich weiß nicht, ich hab gerade zwei Tabletten geschluckt.»
    «Runter damit. Wirst staunen, wie gut dir das tut.»
    Zunächst schien der Alkohol tatsächlich seine Wirkung zu tun. Morris fühlte sich etwas besser, aber im Sitzungsraum brach ihm der Schweiß aus, obgleich es dort nicht übertrieben warm war. Seine Nase schwoll zu, und alle Glieder taten ihm weh. Als die Sitzung gegen zehn zu Ende war, verzichtete er darauf, wie sonst mit den Kollegen im Ship’s Galley ein Glas zu trinken. Er entschuldigte sich. Er wolle gleich heimfahren und sich hinlegen, sagte er.
    «Gieß dir tüchtig einen hinter die Binde», riet ihm Tom Bradshaw.

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