Einfach bezaubernd
wenn er es gesehen hätte, hätte er es sicher nicht geglaubt. »Was meinen Sie damit, besonders in dieser Stadt?«
Eines der Kaninchen hoppelte über seinen Fuß, und er beugte sich hinab und nahm es auf, ein kleines, flauschiges Wesen in seinen eleganten Händen. Wie hypnotisiert beobachtete sie, wie er ihm mit schlanken Fingern liebkosend über das Fell strich, es dann auf den Tisch setzte, und plötzlich lag es wieder als Gabel in silbernem Glanz dort.
»Himmel, wer sind Sie?«, fragte sie und stellte endlich die richtige Frage.
Er kam näher ans Licht, und sie sah ihn nun ganz deutlich. Elegant, goldblondes, langes Haar, dunkle Augen, tadellos gekleidet, mit einem silbernen Knopf in einem Ohr. Sehr schlank – zu gut gekleidet für Mares Geschmack, und auch nichts für Dee, denn blonde Männer gefielen ihr nicht. Sie schätzte ihn auf Anfang dreißig, doch hatte er zugleich etwas Zeitloses an sich.
»Entweder Ihr schlimmster Albtraum oder Ihre Rettung«, erwiderte er. »Das hängt von Ihnen ab.«
Sie mochte Männer in Anzügen nicht, und sie mochte auch keine Männer, die einfach in ihrer Küche erschienen, wie fantastisch sie auch immer aussehen mochten, und vor allem mochte sie die Art, in der er ihr antwortete, überhaupt nicht. »Ich will das nicht. Ich gehe«, erklärte sie und wandte sich um, um zu flüchten.
Die Tür zum Flur fiel mit einem Knall ins Schloss, gefolgt von einem deutlich hörbaren Klicken des Riegels.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete der Fremde. »Sie haben schon viel zu viel Ärger gemacht, und ich habe die Absicht, dem ein Ende zu setzen. Es gibt nichts Schlimmeres als Amateure, die mit den Gesetzen der Mutation herumspielen. Die Auswirkungen können weithin alles Mögliche aus dem Gleichgewicht bringen, und das kann nicht länger hingenommen werden.«
»Amateure?«, wiederholte Lizzie die einzig greifbare Beleidigung.
»Nun, ihr werdet euch wohl kaum selbst als Meister bezeichnen wollen. Ihre Schwester Deidre verwandelt sich ständig ohne irgendwelche Selbstkontrolle. Früher oder später passiert ihr das vor versammeltem Publikum, und was wird dann aus ihr? Und Ihre jüngere Schwester, die sich in Psychokinese versucht,
ist ja wohl lächerlich, wenn auch im Prinzip ungefährlich. Sie selbst aber, Sie werden irgendwann einmal dieses Haus und die gesamte Nachbarschaft in die Luft jagen, wenn Sie nicht mit Ihren hirnlosen Experimenten aufhören.«
»Herrgott, wer sind Sie eigentlich?«, fragte Lizzie erneut und bemühte sich, ebenso kalt und tödlich zu klingen wie er. Ihre Stimme schwankte ein wenig, kam dem aber schon recht nahe.
»Elric.«
»Elric? Was für ein lächerlicher Name.«
Resigniert schloss er einen Augenblick lang die Augen, und sie konnte ihn betrachten, ohne dass er es bemerkte. Er war wirklich faszinierend, und die Konturen immer noch ein wenig schillernd. Nein, sie mochte Männer in Anzügen nicht, aber es war immerhin der am besten aussehende Anzug, den sie je gesehen hatte. Oder vielleicht eher der bestaussehende Mann …
Er öffnete die Augen und stellte fest: »Sie haben noch nie von mir gehört.«
Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht könnte sie mit einem Sprung durch das Fenster fliehen, überlegte sie. Wenn sie nur Dees Fähigkeit besäße, wäre sie jetzt schon eine ganz andere – und mit ein bisschen Glück hätte sie sich in einen menschenfressenden Tiger verwandelt und diesen unverschämten Kerl geschluckt.
Es musste doch etwas geben, was sie tun konnte. Zum Beispiel den Fußboden in zähen Klebstoff verwandeln, aber dann wäre sie ebenfalls gefangen. Außerdem könnte es ihr passieren, dass sich der abgenutzte Holzboden dabei in ein Meer von Ratten verwandelte.
»Setzen Sie sich.« Elric hob ein weiteres Kaninchen auf, das über den Boden hoppelte.
Reglos starrte sie auf seine Hände, die das pelzige Wesen streichelten. Elegante, gefährliche Hände.
»Ich möchte, dass Sie gehen«, erklärte sie.
»Das glaube ich gern.« Er legte eine weitere Gabel auf den Tisch und sammelte dann das übrige Besteck ein, das auf dem Boden verstreut lag. »Aber Sie bleiben trotzdem sitzen. Wir haben etwas zu besprechen.«
»Wenn Sie nicht gehen, rufe ich die Polizei.«
»Sie rufen niemanden. Sie wollen genauso wenig wie ich, dass die Leute Ihre Geheimnisse erfahren.«
Eins zu null für ihn.
»Dann verwandle ich Sie in ein Kaninchen.«
Oh Gott, das war das Falscheste, was sie sagen konnte. Er lachte, und ein Regenbogen von Farben schien durch
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