Einfach göttlich
Installation gestorben, dachte Urn. Die Ermordung des Erfinders stellte vielerorts eine gebräuchliche Methode des Patentschutzes dar.
Hier waren die Hebel, und dort, über Öffnungen im Boden, hingen die Gegengewichte. Vermutlich genügten tausend Liter Wasser oder so, um den Mechanismus in Gang zu setzen. Nun, das Wasser mußte natürlich hierhergepumpt werden…
»Feldwebel?«
Fergmen blickte zur Tür herein und wirkte so nervös wie ein Atheist beim Gewitter.
»Ja?«
Urn streckte den Arm aus.
»Durch die Wand führt ein großer Schacht, siehst du? Am Ende der Transmissionsvorrichtung?«
»Der was?«
»Die großen Holzräder mit den Zacken dran.«
»Oh, ja.«
»Wohin führt der Schacht?«
»Keine Ahnung. Irgendwo da drüben dreht sich die große Tretmühle der Buße.«
Aha.
Der Atem Gottes stellte sich letztendlich als der Schweiß von Menschen heraus. Didaktylos hätte Gefallen daran gefunden, dachte Urn.
Er wurde sich eines Geräusches bewußt, das er zwar schon seit einer ganzen Weile hörte, jedoch erst jetzt einen Weg ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit fand. Es klang blechern und hohl: Stimmen in den Rohren.
Fergmen hörte sie ebenfalls – sein Gesichtsausdruck wies deutlich darauf hin.
Urn hielt das Ohr ans Metall. Er verstand keine einzelnen Worte, aber es hörte sich nach kollektiven Gebeten oder dergleichen an.
»Der Gottesdienst im Tempel«, sagte er. »Ein vom Portal ausgelöster Resonanzeffekt. Und die Geräusche werden durchs Rohrleitungssystem weitergeleitet.«
Fergmen wirkte nach wie vor beunruhigt.
»Die Götter haben damit nichts zu tun«, übersetzte Urn und wandte sich wieder dem großen Mechanismus zu.
»Ein einfaches Funktionsprinzip«, sagte er zu sich selbst. »Wasser fließt in die Reservoire auf den Gewichten und beeinträchtigt dadurch ihre Balance. Ein Gewicht sinkt nach unten, und das andere steigt durch den Schacht auf. Das Gewicht des Portals ist nebensächlich. Während das eine Gewicht sinkt, kippen diese Eimer hier, und das Wasser fließt aus ihnen heraus. Ein glatter Bewegungsablauf, nehme ich an. Gut durchdacht.«
Er sah die Verwirrung auf Fergmens Gesicht.
»Wasser fließt in die Behälter und wieder heraus, wodurch sich das Portal öffnet«, erklärte er knapp. »Wir brauchen also nur zu warten, bis… Welches Zeichen haben wir vereinbart?«
»Eine Fanfare soll erklingen, wenn die anderen das Haupttor passiert haben«, sagte Fergmen. Es erleichterte ihn offenbar, daß er die Antwort auf diese Frage wußte.
»Gut.« Urn sah noch einmal zu den Gewichten und Reservoiren. Hier und dort tropfte Wasser aus den korrodierten Bronzerohren.
»Aber vielleicht sollten wir besser einen Test durchführen, damit uns später keine Fehler unterlaufen«, sagte er. »Wahrscheinlich dauert’s ein oder zwei Minuten, bis sich das Portal öffnet.« Urn griff unter seine Kutte, und als die Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie etwas, das für Fergmen wie ein Folterinstrument aussah. Wieder prägten Befürchtungen die Miene des Feldwebels. Didaktylos’ Neffe bemerkte sie. »Das ist ein ver-stell-barer Schrauben-schlüssel«, sagte er langsam und freundlich.
»Ja?«
»Damit kann man Bolzen lösen.«
»Und vielleicht auch… Dinge… zerquetschen?« fragte Fergmen.
»Dieses Fläschchen enthält Kriechöl.«
»Oh, gut.«
»Bitte hilf mir hoch. Es wird eine Weile dauern, die Verbindung zum Ventil zu lösen. Am besten fangen wir sofort damit an.« Urn hantierte in dem uralten Mechanismus, während oben die Zeremonie andauerte.
D as-ist-praktisch-geschenkt Schnappler war für neue Propheten und auch für den Weltuntergang, wenn er dabei religiöse Statuen, billige Ikonen, klebriges Konfekt, fermentierende Datteln und verfaulte Oliven am Stiel ans Publikum verkaufen konnte.
Darin bestand schließlich auch sein Testament. Es gab nie ein Buch des Propheten Brutha, aber ein ebenso unternehmungslustiger wie einfallsreicher Schreiber sammelte während der sogenannten Erneuerung die Berichte von Augenzeugen, und er brachte Schnapplers Bericht auf diese Weise zu Papier:
»I. Ich stand direkt neben der Statue von Ossory, ja, und da merkte ich, daß Brutha mir Gesellschaft leistete. Alle wahrten einen respektvollen Abstand, wegen der Beförderung zum Bischof und so, ich meine, wer einen Bischof anrempelt, der riskiert die Quisition.
II. Ich sagte zu ihm: Hallo, Hochwürden. Und ich bot ihm einen Joghurt an, praktisch geschenkt.
III. Er lehnte ab.
IV. Woraufhin ich sagte:
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