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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stammten!«
    »Nun, das eine oder andere habe ich vielleicht diktiert«, sagte die Schildkröte. »Allerdings… Ich erinnere mich kaum mehr daran.«
    »Aber wenn du hier als Schildkröte unterwegs gewesen bist… Wer hat dann all den Gebeten zugehört? Wer nahm die Opfer entgegen? Wer entscheidet darüber, ob die Seelen der Verstorbenen in den Himmel kommen oder zur Hölle fahren?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Om. »Wer hat denn vorher darüber befunden?«
    »Du!«
    »Ich?«
    Brutha steckte sich die Finger in die Ohren und sang die dritte Strophe von Und siehe, die Ungläubigen fliehen vor dem Zorn des Großen Gottes Om.
    Nach einigen Minuten kam der Schildkrötenkopf unterm Panzer zum Vorschein.
    »Müssen sich die Ungläubigen solche Lieder anhören, bevor sie bei lebendigem Leib verbrannt werden?« fragte der kleine Gott Om.
    »Nein!«
    »Oh. Also ist es doch ein gnädiger Tod. Darf ich noch etwas sagen?«
    »Wenn du erneut meinen Glauben erschüttern willst…«
    Die Schildkröte zögerte. Om kramte in den klemmenden Schubladen seines Gedächtnisses, hob einen Fuß und scharrte im Staub.
    »Ich… erinnere mich an einen ganz bestimmten Tag… im Sommer… Du warst dreizehn Jahre alt…«
    Die krächzende Stimme fuhr fort, und Brutha hörte verblüfft zu. Seine Lippen formten ein O.
    »Woher weißt du das?« fragte der Novize schließlich.
    »Du glaubst doch, daß der Große Gott Om alles sieht, oder?«
    »Du bist eine Schildkröte. Du kannst unmöglich gesehen haben, wie…«
    »Als du fast vierzehn warst, schlug dich deine Großmutter, weil du Rahm aus der Vorratskammer gestohlen hattest. Sie irrte sich – dich traf überhaupt keine Schuld. Sie schloß dich in deinem Zimmer ein, und dort hast du leise gesagt: ›Ich wünschte, du wärst…‹«
     
    E s wird ein Zeichen geben, dachte Vorbis. Es gab immer ein Zeichen für jemanden, der aufmerksam genug danach Ausschau hielt. Ein kluger Mann stellte sich in den Weg Gottes.
    Er wanderte durch die Zitadelle. Darin bestand eine seiner Angewohnheiten: Einmal am Tag ging er durch die unteren Etagen, jedesmal zu einer anderen Zeit. Und jedesmal beschritt er einen anderen Weg. Wenn Vorbis überhaupt dazu imstande war, an irgend etwas Freude zu finden – und hier ist eine Art von Freude gemeint, die normalen Menschen nicht zu seltsam erscheint –, so bestand sie darin, Gesichter zu sehen. Insbesondere die Gesichter von Leuten, die um eine Ecke bogen und sich ganz plötzlich dem Diakon der Quisition gegenübersahen. Bei solchen Gelegenheiten wurde häufig nach Luft geschnappt, und es offenbarten sich auch andere Hinweise auf ein schlechtes Gewissen. Schlechte Gewissen hielt Vorbis für sehr wichtig. Der Sinn des Gewissens bestand seiner Meinung nach darin, für die Seele eine Art zu kleiner Schuh zu sein, der überall drückte. Schuld war das Schmierfett für die Achsen der Autorität.
    Vorbis trat in einen anderen Korridor, und an der Wand gegenüber sah er eine primitive Zeichnung: ein Oval mit vier Beinen und der wenig künstlerischen Darstellung von Kopf und Schwanz.
    Er lächelte. In letzter Zeit zeigten sich solche Symbole immer öfter. Nun, sollte die Häresie ruhig eitern und zu einem deutlich ausgeprägten Furunkel werden. Vorbis wußte, wie man mit solchen Dingen fertig wurde.
    Während der wenigen Sekunden, in denen er darüber sinniert hatte, setzten die Beine des Diakons den Weg fort, trugen ihn an einer Abzweigung vorbei und… nach draußen, in den hellen Sonnenschein.
    Zwar kannte er sich gut in der Zitadelle aus, doch diesmal empfand Vorbis fast so etwas wie Verwirrung. Vor ihm erstreckte sich ein von hohen Mauern gesäumter Garten. Neben einer dekorativen Ansammlung von klatschianischem Mais reckten Bohnenpflanzen rote und weiße Blüten der Sonne entgegen. Zwischen ihren Reihen ruhten Melonen auf dem staubigen Boden. Normalerweise hätte Vorbis die gute Nutzung dieses Ortes zu schätzen gewußt, aber diesmal galt sein Interesse nicht in erster Linie den landwirtschaftlichen Elementen des Gemüsegartens, sondern dem dicken Novizen, der auf dem Boden hin und her schaukelte und sich dabei die Ohren zuhielt.
    Eine Zeitlang blickte Vorbis auf ihn hinab. Dann stieß er Brutha mit der Sandale an.
    »Was plagt dich, Sohn?«
    Der Junge öffnete die Augen.
    Es gab nicht viele hochrangige Repräsentanten der Kirche, die er sofort zu identifizieren wußte. Selbst den Zönobiarchen kannte er nur als ferne Silhouette. Doch der Exquisitor Vorbis ließ sich

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