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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gemüsegarten hätten sie vermutlich den Verstand verloren.
    Ein anderer Gedanke tauchte auf. Die Wüste ist das, was du von ihr denkst. Und jetzt kannst du klarer denken als jemals zuvor…
    Lügen existierten nun nicht mehr. Das galt auch für Illusionen. Darauf lief es in Wüsten hinaus: Man war allein – allein mit sich selbst und seinen Gedanken; allein mit jenen Dingen, an die man glaubte.
    Woran habe ich immer geglaubt?
    Wenn jemand ein anständiges Leben führte – wobei priesterliche Richtlinien keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielten –, sich dabei an das hielt, was er in seinem Innern für richtig und angemessen hielt… Dann gab es letztendlich keinen Grund, irgendein Urteil zu fürchten.
    So etwas konnte man sich zwar nicht auf die Fahne schreiben, aber die Wüste sah schon ein wenig besser aus.
    Fri’it brach auf.
     
    D er Maulesel war klein, und Brutha hatte lange Beine: Er mußte sie beim Reiten anziehen. Wenn er sie gestreckt hätte, wäre das Tier unter ihm in der Lage gewesen, den Weg allein fortzusetzen.
    Die Anordnung der Gruppe mochte überraschen.
    Feldwebel Simony und seine Soldaten ritten vorn, zu beiden Seiten des Weges.
    Ihnen folgten die Bediensteten, Schreiber und jene Priester, die keinen hohen Rang bekleideten. Vorbis ritt hinten und nahm den Platz ein, der einem Exquisitor zustand: Er war wie ein Schäfer, der seine Schar hütete.
    Brutha leistete ihm Gesellschaft. Damit wurde ihm eine Ehre zuteil, auf die er lieber verzichtet hätte. Brutha gehörte zu den Leuten, die selbst bei Frost schwitzen können; Staub und Sand hafteten an ihm fest, bildeten eine Haut, die aus Schmirgelpapier zu bestehen schien.
    Vorbis erweckte den Eindruck, als empfände er die Nähe des Jungen amüsant. Ab und zu stellte er ihm Fragen, zum Beispiel:
    »Wie viele Kilometer haben wir zurückgelegt, Brutha?«
    »Vier Kilometer und sieben Estado, Herr.«
    »Woher weißt du das?«
    Diese Frage konnte der Novize nicht beantworten. Woher wußte er, daß der Himmel blau war? Er dachte einfach daran, und dann wußte er es. Man konnte nicht daran denken, wie man dachte. Ebenso sinnlos mußte das Bemühen bleiben, eine Kiste mit der Brechstange zu öffnen, die in ihrem Innern lag.
    »Und wie lange sind wir unterwegs?«
    »Seit etwas mehr als neunundsiebzig Minuten.«
    Vorbis lachte. Brutha fragte sich, warum. Er fand es nicht etwa rätselhaft, daß er sich erinnerte, sondern daß alle anderen vergaßen.
    »Hatten auch deine Vorfahren diese erstaunliche Fähigkeit?«
    Stille.
    »Konnten sie ebenfalls so genau Auskunft geben?« erkundigte sich der Exquisitor geduldig.
    »Ich weiß es nicht. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen, und sie hatte ein… gutes Gedächtnis. Für gewisse Dinge.« Vor allem für Sünden und dergleichen. »Und sie konnte gut hören und sehen.« Sie hatte sogar scheinbar durch zwei Wände hören und sehen können – ein echtes Phänomen.
    Brutha drehte sich vorsichtig im Sattel. Etwa eine Meile weiter hinten sah er eine Staubwolke.
    »Da kommen die anderen Soldaten«, sagte er im Plauderton.
    Dieser Hinweis schockierte Vorbis – vielleicht war es viele Jahre her, seit zum letztenmal jemand eine unschuldige Bemerkung an ihn gerichtet hatte.
    »Die anderen Soldaten?« wiederholte er.
    »Feldwebel Aktar und seine Männer auf achtundneunzig Kamelen mit vielen Feldflaschen und Wasserschläuchen«, sagte Brutha. »Ich habe sie gesehen, kurz bevor wir die Stadt verließen.«
    »Du hast sie nicht gesehen«, behauptete Vorbis. »Sie reiten nicht hinter uns. Du wirst sie vergessen.«
    »Ja, Herr.« Erneut die Aufforderung, etwas Unmögliches zu bewerkstelligen.
    Nach einigen Minuten wandte sich die ferne Staubwolke von der Straße ab und glitt an einem langen, sanft geneigten Hang empor, der zum Hochland der Wüste führte. Brutha beobachtete sie argwöhnisch, hob dann den Blick zu den Dünen und Bergen.
    Ein dunkler Punkt kreiste oben am Himmel.
    Die Hand des Novizen flog zum Mund.
    Vorbis hörte, wie er nach Luft schnappte.
    »Was ist los, Brutha?« fragte er.
    »Ich habe gerade an den Gott gedacht«, antwortete der Junge.
    »Wir sollten immer an den Gott denken«, erwiderte Vorbis. »Und darauf vertrauen, daß Er uns bei dieser Reise begleitet.«
    »Er ist bei uns«, stellte Brutha fest. Die absolute Gewißheit in seiner Stimme entlockte dem Exquisitor ein Lächeln.
    Der Novize horchte auf die innere Stimme, die er in letzter Zeit so oft gehört hatte, aber jetzt blieb alles still.

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