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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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meiner Nähe! Bist du imstande, die… die Worte in meinem Kopf zu hören oder Gedanken zu lesen?«
    »Bei den Gedanken von Sterblichen ist das verdammt schwer«, erwiderte Om. »Glaubst du vielleicht, sie erscheinen mit großen Blockbuchstaben am mentalen Himmel? Ha! Ich erkenne Absichten, ja. Auch Gefühle. Aber keine Gedanken. Die meiste Zeit über weißt du ja selbst nicht einmal, was du denkst. Und dann soll ich mich in deinem geistigen Chaos zurechtfinden?«
    »Weil du der Gott bist«, entgegnete Brutha. »Abbys, Kapitel LVI, Vers 17: ›Körper und Geist der Sterblichen kennt Er; vor Ihm gibt es keine Geheimnisse.‹«
    »Abbys? Der Typ mit den kariösen Zähnen?«
    Brutha ließ den Kopf hängen.
    »Hör mal…«, sagte die Schildkröte. »Ich bin, was ich bin. Es ist nicht meine Schuld, wenn die Leute mehr von mir erwarten.«
    »Aber im Garten… Du wußtest von meinen Gedanken.«
    Der kleine Gott Om zögerte. »Das war etwas anderes«, erwiderte er. »Es… es handelte sich nicht um Gedanken, sondern um Schuld.«
    »Ich glaube an den Großen Gott Om und Seine Gerechtigkeit«, verkündete Brutha. »Und ich werde auch weiterhin an Ihn glauben, ganz gleich, was du sagst und bist.«
    »Freut mich, das zu hören«, entgegnete die Schildkröte mit Nachdruck. »Laß deinen Glauben von nichts erschüttern. Äh, wo sind wir jetzt?«
    »Auf einem Boot«, erklärte Brutha. »Auf dem Meer. Alles schaukelt.«
    »Wir fahren mit einem Schiff nach Ephebe? Warum ziehen wir nicht durch die Wüste?«
    »Niemand kann die Wüste durchqueren. Niemand kann in ihr lange genug überleben.«
    » Ich hab’s geschafft.«
    »Wir ›segeln‹ nur ein paar Tage lang.« Übelkeit stieg in Brutha empor, obwohl das Schiff gerade erst vom Pier abgelegt hatte. »Und es heißt, der Gott…«
    »…ich…«
    »… schickt uns guten Wind.«
    »Tatsächlich? Oh, ja. Ich schicke euch einen guten Wind. Keine Hindernisse bis zum Ziel. Alles bleibt so ruhig wie ein Sturzbach.«
    »Wie ein Mühlbach! Ich wollte Mühlbach sagen!«
     
    B rutha klammerte sich am Mast fest.
    Nach einer Weile kam ein Matrose, setzte sich auf ein zusammengerolltes Seil und musterte den Jungen interessiert.
    »Du kannst loslassen, Pater«, sagte er. »Das Ding bleibt auch von allein stehen.«
    »Der Ozean… die Wellen…«, murmelte Brutha. Er öffnete den Mund ganz vorsichtig, obwohl sein Magen überhaupt nichts mehr enthielt.
    Der Seemann spuckte nachdenklich.
    »Aye«, entgegnete er. »Sie brauchen eine solche Form, damit sie zum Himmel passen.«
    »Es knackt und knirscht im Schiff!«
    »Aye. Das stimmt.«
    »Soll das heißen, dies ist gar kein Sturm?«
    Der Matrose seufzte und ging fort.
    Irgendwann wagte es Brutha, den Mast loszulassen. Nie zuvor hatte er sich so schlecht gefühlt.
    Dabei ging es nicht nur um die Seekrankheit. Er wußte nicht, wo er sich befand. Und darüber hatte er immer Bescheid gewußt. Der eigene Aufenthaltsort und die Existenz von Om hatten die beiden einzigen Gewißheiten in seinem Leben gebildet.
    In dieser Hinsicht erging es ihm wie Schildkröten. Wer solche Reptile beim Wandern beobachtete, konnte feststellen, daß sie immer wieder verharrten – vermutlich deshalb, um Erinnerungen an die bisherige Reise an einem sicheren Platz im Gedächtnis zu verstauen. Nach einer bei Fachleuten verbreiteten Theorie waren die Schildkröten nur deshalb nicht zur dominierenden Spezies im Multiversum geworden, weil sie den größten Teil ihres geistigen Potentials zur Orientierung verwendeten.
    Brutha stellte seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort fest, indem er sich daran erinnerte, wo er gewesen war, indem er unbewußt die Schritte zählte und sich besondere Merkmale der Landschaft einprägte. Irgendwo in seinem Kopf gab es einen langen roten Faden der Erinnerung: Wenn man ihn abwickelte, führte er über den kurvenreichen Pfad des Lebens bis zur Geburt zurück.
    Ohne einen direkten Kontakt mit dem Boden – auf dem Meer, dessen Oberfläche sich ständig veränderte – verlor dieser Erinnerungsfaden den Halt, flatterte wie eine Fahne im Wind.
    Der nach wie vor im Bastkorb steckende kleine Gott Om wurde kräftig hin und her geworfen, als Brutha in Richtung Reling übers Deck wankte.
    Für alle anderen an Bord herrschte prächtiges Segelwetter. Möwen folgten dem Schiff. Auf der einen Seite – Backbord oder Steuerbord – sprangen fliegende Fische aus dem Wasser, um der Aufmerksamkeit einiger Delphine zu entgehen. Brutha beobachtete die grauen Leiber, die im

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