Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Hitze ab, und die Nacht wurde dadurch so warm und so aromatisch wie eine Suppe.
    »Ephebe ist dem Meer zugewandt«, sagte Vorbis nach einer Weile. »Sieh nur, wie man die Stadt erbaut hat. Am Hang eines Berges, von dem aus man übers Meer blickt. Doch von unserer Zitadelle aus hebt sich der Blick über die Wüste. Und was sehen wir dort?«
    Aus einem Reflex heraus drehte Brutha den Kopf und starrte über die Dächer hinweg. Die Wüste zeichnete sich als dunkler Schemen unter dem Himmel ab.
    »Es hat geblitzt«, sagte er. »Und dann noch einmal. Am Hang.«
    »Ah, das Licht der Wahrheit«, erwiderte Vorbis. »Gehen wir ihm entgegen. Bring mich zum Eingang des Labyrinths, Brutha. Du kennst den Weg.«
    »Herr?«
    »Ja, Brutha?«
    »Ich möchte dich etwas fragen.«
    »Nur zu.«
    »Was ist mit Bruder Murduck geschehen?«
    Vorbis’ Gehstock hatte bisher in einem gleichmäßigen Rhythmus aufs Kopfsteinpflaster geklopft, doch jetzt verzögerte sich das nächste Pochen um einen Sekundenbruchteil. »Mein lieber Brutha«, sagte der Exquisitor, »die Wahrheit ist wie das Licht. Weißt du über das Licht Bescheid?«
    »Es… kommt von der Sonne. Und vom Mond und von den Sternen. Und von Kerzen und Lampen.«
    »Und so weiter.« Vorbis nickte. »Natürlich. Aber es gibt noch eine andere Art von Licht. Ein Licht, das selbst an den dunkelsten Orten existiert. Wie könnte es auch anders sein? Gäbe es dieses Meta-Licht nicht – wie sollten wir dann die Finsternis erkennen?«
    Brutha blieb still. Dies klang zu sehr nach Philosophie.
    »So ist es auch mit der Wahrheit«, fuhr Vorbis fort. »Einige Dinge scheinen wahr zu sein und weisen alle Anhaltspunkte der Wahrheit auf. Aber es handelt sich nicht um richtige Wahrheit. Die richtige Wahrheit muß manchmal mit einem Labyrinth aus Lügen geschützt werden.«
    Er sah Brutha an. »Verstehst du?«
    »Nein, Herr.«
    »Was sich unseren Sinnen darbietet, ist nicht unbedingt die fundamentale Wahrheit. Was vom Fleisch gesehen, gehört und getan wird, entspricht nur den Schatten einer tieferen Realität. Diese Erkenntnis mußt du verinnerlichen, wenn du in der Kirche vorankommen willst.«
    »Derzeit kenne ich leider nur die banale Wahrheit, Herr«, sagte Brutha. »Jene Wahrheit, die dem Äußeren zugänglich ist.« Er fühlte sich, als nähere er sich dem Rand eines tiefen Abgrunds.
    »So beginnen wir alle«, entgegnete Vorbis nachsichtig.
    »Sind die Ephebianer für Bruder Murducks Tod verantwortlich?« beharrte Brutha. Er wagte sich nun in die Dunkelheit jenseits des Rands vor.
    »Im tiefsten Sinn der Wahrheit tragen sie tatsächlich die Verantwortung dafür. Ja, sie brachten ihn um, indem sie nicht auf ihn hörten und seine Botschaft zurückwiesen.«
    »Aber im banalen Sinn der Wahrheit…« Brutha wählte seine Worte mit der gleichen Sorgfalt, die Inquisitoren ihren… Patienten in den Tiefen der Zitadelle angedeihen ließen. »Im banalen Sinn der Wahrheit starb Bruder Murduck nicht hier, sondern in Omnien, weil er nämlich nicht in Ephebe getötet wurde, nur verspottet, aber man fürchtete, daß andere Leute in der Kirche es vielleicht nicht verstanden, und deshalb hieß es, Bruder Murduck sei von den Ephebianern umgebracht worden, auf eine banale Weise, wodurch du und alle anderen, die das wahre Unheil von Ephebe sahen, Anlaß bekamen, Maßnahmen zu ergreifen und… gerechte Vergeltung zu planen.«
    Sie gingen an einem Springbrunnen vorbei. Der mit einer stählernen Spitze versehene Stock des Diakons klickte und klackte in der Nacht.
    »Ich sehe eine große Zukunft für dich in der Kirche«, sagte Vorbis schließlich. »Bald beginnt die Zeit des achten Propheten. Eine Epoche der Ausdehnung, in der es gute Gelegenheiten für jene geben wird, die den Ruhm des Großen Gottes Om mehren wollen.«
    Brutha blickte in den Abgrund.
    Wenn Vorbis recht hatte, wenn es tatsächlich besonderes Licht gab, das die Finsternis sichtbar machte… Dann befand sich dort unten das Gegenteil: eine Dunkelheit, die das Licht schwärzte. Er dachte an den blinden Didaktylos und seine Lampe.
    Der Novize hörte sich sagen: »Und mit Leuten wie den Ephebianern kann es keinen Frieden geben. Selbst ein unterzeichneter Friedensvertrag kann nicht bindend sein, wenn er Leute wie die Ephebianer und die Jünger der tieferen Wahrheit betrifft.«
    Vorbis nickte erneut. »Wenn der Große Gott bei uns ist… Wer kann uns dann widerstehen? Du beeindruckst mich, Brutha.«
    Wieder erklangen lachende Stimmen in der Nacht; hier und

Weitere Kostenlose Bücher