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Einfach göttlich

Einfach göttlich

Titel: Einfach göttlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Woraus folgte: Die meiste Zeit über sah man die Sonne gar nicht dort, wo sie sich befand, sondern dort, wo sie sich befunden hatte. Aber es gab auch Ausnahmen. Zweimal am Tag holte die Sonne ihr vorher ausgestrahltes Licht ein, und dann befand sie sich genau dort, wo sie sich zu befinden schien, was bedeutete, daß die Sonne einem überlichtschnellen Partikel gleichkam, gewissermaßen eine Art Tachyon darstellte. Didaktylos prägte eine andere Bezeichnung. Er nannte die Sonne schlicht und einfach »unberechenbares Mistding«.
    In der Hitze schien das nahe Meer zu kochen.
    Brutha stampfte vor sich hin, unter sich den einzigen Schatten im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Om klagte nicht mehr – selbst dafür war es zu heiß.
    Hier und dort schwamm Holz in der trüben Brühe am Ufer.
    Irgendwo vor Brutha flimmerte die Luft über dem Sand, und in der Mitte davon zeigte sich ein dunkler Fleck.
    Der Novize betrachtete ihn teilnahmslos, während er sich näherte, nahm ihn jedoch nicht bewußt wahr. Der Fleck bot nur einen Bezugspunkt in einer Welt aus orangefarbener Hitze, dehnte sich im vibrierenden Dunst aus und schrumpfte wieder.
    Er stellte sich als Vorbis heraus.
    Es dauerte ziemlich lange, bis sich dieser Gedanke einen Weg durch Bruthas mentalen Nebel bahnte.
    Vorbis.
    Er trug keine Kutte mehr – einige Fetzen erinnerten noch daran –, sondern im wesentlichen ein ärmelloses Unterhemd.
    Brutha starrte darauf hinab.
    Die Fingernägel. Gerissen. Blut. Am Bein. Von scharfen Felsen stammende Fleischwunden. Vorbis.
    Vorbis.
    Brutha sank auf die Knie. An der Flutgrenze krächzte eine Skalbi.
    »Er… lebt noch«, brachte Brutha hervor.
    »Schade«, sagte Om.
    »Wir sollten ihm… helfen.«
    »Du könntest ihm helfen, ins Jenseits zu gelangen«, schlug die Schildkröte vor. »Nimm einen Stein und zertrümmere ihm den Schädel.«
    »Wir dürfen ihn nicht einfach so liegenlassen.«
    »Wer sollte es uns verbieten?« fragte Om.
    Brutha schob die Hand unter den Diakon und versuchte, ihn hochzuheben. Überraschenderweise war es ganz einfach – Vorbis wog fast nichts. Unter der Kutte des Exquisitors hatte sich ein Körper verborgen, der fast nur aus Haut und Knochen bestand. Brutha fürchtete, ihm etwas zu brechen, wenn er ihn zu hart anfaßte.
    »Und was ist mit mir?« jammerte Om.
    Brutha legte sich Vorbis über die Schulter.
    »Du hast vier Beine«, sagte er.
    »Ich bin dein Gott!«
    »Ja, ich weiß.« Der Novize ging wieder über den Strand.
    »Was hast du mit ihm vor ?«
    »Ich bringe ihn nach Omnien«, brummte Brutha. »Die Leute sotten Bescheid wissen. Sie sollen erfahren, was er getan hat.«
    »Du bist verrückt! Vollkommen verrückt! Willst du ihn etwa bis nach Omnien tragen ?«
    »Keine Ahnung. Ich werd’s versuchen.«
    »Du, du…« Om stampfte mit mehreren Füßen auf. »Es gibt Millionen von Menschen auf der Welt, und ich mußte ausgerechnet an dich geraten! Warum bist du nur so dumm !«
    Die Hitze verwandelte Brutha allmählich in einen zitternden Schemen.
    »Mir reicht’s !« rief Om. »Ich brauche dich nicht! Glaubst du etwa, daß ich dich brauche? Da irrst du dich gewaltig! Ich finde auch einen anderen Gläubigen! Das ist überhaupt kein Problem!« Brutha verschwand.
    »Und ich laufe dir nicht nach!« fügte Om hinzu.
     
    B rutha beobachtete, wie er einen Fuß vor den anderen setzte.
    Inzwischen dachte er nicht mehr. Sein bratendes Selbst bestand nur noch aus zusammenhanglosen Bildern und Erinnerungsfetzen.
    Träume. Träume sind Bilder im Kopf. Coaxes, auch Schmeichelgut genannt, hatte eine ganze Schriftrolle darüber geschrieben. Abergläubische Menschen hielten Träume für göttliche Botschaften, aber in Wirklichkeit wurden sie vom Gehirn geschaffen, wenn es nachts die Ereignisse des Tages analysierte und klassifizierte. Brutha träumte nie. Er erlebte nur… Dunkelheit, während sein Ich Erinnerungen sortierte und verstaute. Es hatte die Bücher archiviert, und nun wußte er, ohne zu lernen…
    Träume.
    Gott. Götter brauchten Menschen. Deren Glaube gab ihnen Kraft. Aber sie benötigten auch eine Gestalt. Götter wurden so, wie sie nach Meinung der Menschen beschaffen sein sollten. Nun, die Göttin der Weisheit trug einen Pinguin. Das hätte jedem Gott passieren können. Eine Eule wäre weitaus angemessener gewesen. Alle wußten, daß Eulen Weisheit symbolisierten. Aber ein unbegabter Bildhauer, der Eulen nur aus vagen Beschreibungen kannte, verpfuscht eine Statue, und der Glaube erledigt den

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