Eingesperrt mit der Versuchung
leeren Teller, und ihm fiel wieder ein, weshalb er überhaupt gekommen war. Er hatte keine Lust mehr, allein zu essen, was im Grunde seltsam war, weil er normalerweise froh war, wenn er für sich war. Denn zu oft reihte sich ein Geschäftsessen an das andere, immer in irgendwelchen Luxusrestaurants. Am liebsten saß er mit einem Käsebrot in seinem Apartment in Sydney, direkt an dem großen Fenster mit einem weiten Blick über die Stadt, die für ihn die schönste der Welt war.
Wahrscheinlich genoss er diese gepflegte Ruhe auch deshalb so sehr, weil es in seinem Elternhaus immer sehr turbulent zugegangen war. Er war bei sehr liebevollen, aber etwas exzentrischen Eltern aufgewachsen, die in dem großen alten Haus immer viele schwierige Pflegekinder um sich scharten. Als Kind hatte er alles teilen müssen, die Liebe der Eltern, ihre Zeit, sein Zimmer, Spielsachen und später sogar seine Frau. Da Laura und er beide noch studierten und kaum Geld hatten, zog sie mit in das Haus. Sie studierte Sozialpädagogik und half nur zu gern bei der Erziehung der Kinder mit, die gleichzeitig Studienobjekte für sie waren.
Leider starb sie bereits mit sechsundzwanzig Jahren an einem Gehirntumor.
Jetzt teilte er nicht mehr viel mit anderen Menschen, aber immer noch liebte er seine Eltern sehr. Allerdings nervte es ihn, dass sie ihn ständig fragten, wann sie denn nun endlich mit Enkelkindern rechnen könnten. Und auch heute noch gab er ihnen die gleiche Antwort wie damals mit zwanzig: „Ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es auf der Welt viel zu viele unerwünschte Kinder gibt.“
Vorsichtig nahm er den Diamanten hoch und schloss ihn in seinem Zimmer im Safe ein. Dann brachte er den leeren Teller und die Reste vom Mittagessen in die Küche.
Das Telefon klingelte. Matt Hammond rief aus Neuseeland an.
Quinn kannte Matt Hammond persönlich, denn beide hielten Aktien von verschiedenen Unternehmen, unter anderem auch von Blackstone Diamonds. „Können wir uns in der nächsten Woche treffen?“, fragte Matt. „Es gibt einiges zu besprechen, aber ich möchte dir auch gern noch persönlich danken, dass du die rosa Diamanten an den rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben hast.“
Im vergangenen Monat hatte Quinn vier rosa Diamanten auf Wunsch von Briana Davenport, australisches Supermodel und Schwester von Matts verstorbener Frau Marise, geschätzt und auch identifiziert. Briana hatte sie in ihrem Safe gefunden, nachdem ihre Schwester bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Quinn hatte herausgefunden, dass diese vier Steine zu dem berühmten Rosen-Halsband gehörten, das drei Jahrzehnte zuvor im Haus der Blackstones gestohlen worden war. Briana war gleich bereit gewesen, sie dem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben, und so wurden sie erst einmal in die Erbmasse des verstorbenen Howard überführt.
Wie überall zu lesen gewesen war, hatte Howard noch kurz vor dem Flugzeugabsturz, bei dem er zu Tode kam, sein Testament zugunsten von Marise Hammond geändert. Vor allem hatte er ihr seine gesamte Schmucksammlung vererbt. Da nach Meinung der Anwälte auch das gestohlene Halsband dazu zählte, gehörten die vier Steine nun Marise’ Witwer Matt Hammond.
„Ich werde noch die nächsten zwei Wochen hier in Port Douglas Ferien machen“, sagte Quinn.
„Tatsächlich? Das passt ja fabelhaft, denn ich komme auch in den nächsten Tagen. Dann können wir uns ja problemlos treffen.“
Ob Matt vorhat, Dani zu besuchen?, fragte sich Quinn. Immerhin waren sie Cousin und Cousine, aber soviel er wusste, hatten die beiden schon ewig nicht mehr miteinander gesprochen. Schließlich hatten Dani und ihre Mutter Sonya in dem Haus von Matts Erzfeind Howard Blackstone gewohnt.
„Außerdem wäre ich dir dankbar“, fuhr Matt fort, „wenn du inzwischen überall erzählen könntest, dass ich sehr an dem fehlenden fünften Stein interessiert bin, der ursprünglich zu der Blackstone-Rose gehörte. Ich werde keine Fragen stellen und bin bereit, Höchstsummen zu zahlen.“
Wahrscheinlich war der letzte fehlende Stein auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Man hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Quinn hatte sehr gute Verbindungen und kannte eine Reihe von Leuten, die gegen gutes Geld Informationen preisgeben würden. Ein rosa Stein dieser Größenordnung konnte nicht spurlos verschwunden sein.
Als Quinn sein Handy zuklappte und wieder in die Tasche steckte, musste er daran denken, dass er in den letzten Wochen viel Kontakt mit den
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