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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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der ein solches Auftreten (weil es uns nach dem des Codex Iuris gar nicht zustand) niemals geduldet hätte, ich weiß. Drinnen standen die Herren Verkäufer, die ebenfalls einen päpstlichen Titel führten, den ich vergessen habe. Nur vorne, das heißt: in den vorderen Räumlichkeiten, bedienten fromme Laien mit hochkatholischem Leumund, hinten aber bedienten geweihte Verkäufer (Priesterweihe). Schließlich passten sie hohen und höchsten Würdenträgern, angefangen mit Provinzbischöfen aus Schwarzafrika bis hinauf zu den Kardinälen der Päpstlichen Familie (das waren die Kurienkardinäle, aber auch alle Bewohner des päpstlichen Palastes, sogar die Küchennonnen, und auch Franz Sales) Ober- und Unterwäsche an, die diversen Unterröcke, die in konzentrischen Kreisen um den geistlichen Leib getragen wurden und noch von Michelangelo entworfen worden waren. (Michelangelo war ja auch der größte Modeschöpfer seiner Zeit.) Da konnte man nicht einfach einen Verkäufer von der Straße oder gar eine Frau in ein solches Geschäft hineinstellen. Wir träumten, ich träumte davon, später einmal solche Dinge zu tragen. Uns stand ja als Seminaristen des Päpstlichen Collegiums De Sacra Propaganda Fide die Farbe Purpur zu. Mein Haus trug ein purpurnes Oberteil, das Unterteil war gewöhnliches Schwarz. Aber dennoch wurde ich von ganz Unkundigen immer wieder für einen Kardinal gehalten. »So jung und schon Kardinal!«, wurde manches Mal hinter mir hergeflüstert. - Ich genoss es. Dieses alles ist aus mir verschwunden, als ob es, als ob nichts, gar nichts gewesen wäre. Erinnerung, Advocatus Diaboli meiner Gegenwart!
    Alle, die mein Leben in der Ewigen Stadt bezeugen könnten, sind verschwunden.
    Der demente Kardinal Buffi ist auch verschwunden. Keinen liebte ich so wie ihn. Einmal habe ich ihm den Ring küssen dürfen, Franz Sales hat es vermittelt. Ich musste mit ihm dafür zwei Tage nach Nettuno (deutsch: Neptun) fahren. Man sieht, wie unsinnig mein Leben war. Ich war auf dem besten Weg zum Theater.
    Auch seine höchste Aufgabe war es, den Heiligen Vater zu wecken. Das heißt: Er wurde vom Papst gerufen, ihn zu wecken, nachdem dieser erwacht war, dies alles nach dem streng vorgeschriebenen altpersischen Zeremoniell. »Er wecke Uns!«, lautete die Formel, freilich in Hauslatein. Naturgemäß war Buffi als päpstlicher Stallmeister auch der Erste, der den päpstlichen Tod feststellte und den Fischerring zerbrach. Das silberne Hämmerchen dazu musste Kardinal Buffi immer mit sich führen. In der Nacht des päpstlichen Todes (ich nehme an, dass es dabei Nacht war) meldete Buffi den Tod des Stellvertreters Gottes! Das war bisher nur einmal vorgekommen, ein Ereignis, das neben der Krönung der Höhepunkt jedes Pontifikats war. Bald wusste ich all diese Einzelheiten.
    Bald wusste ich, dass Kardinal Buffi aus kleinstem Anlass, zum Beispiel nach der Genesung von einem Schnupfen, tausend (1000) Dankkarten verschickte, um sich Stimmen im Konklave zu sichern bei der Papstwahl. Auch noch die Haushälterin und der Chauffeur einer papstwahlberechtigten Eminenz wurde zu Namens-, Geburts- und Todestag (der Eltern) mit Anteilnahme von Buffi bedacht; er verfügte über die größte Datenbank in der Ewigen Stadt. Zehn Priester waren allein damit beschäftigt, Glückwunsch- und Genesungsschreiben zu versenden. Er verfügte über die ersten Computer Roms. - Weil er Papst werden wollte, wie ich, Stellvertreter Gottes auf Erden. Aber er hat es ebenso wenig geschafft, obwohl er schon viel weiter war als ich, der immerhin auch ein ganzes Stück vorangekommen war. Nach Rom hatte ich es immerhin geschafft! - Was für ein herrlich glattes Gesicht! Nicht der Schatten einer Falte! Göttliche, sorgenfreie Miene, die zuzeiten so besorgt dreinschauen konnte wie nicht einmal der Heilige Vater, sosehr sich dieser auch anstrengte und am Papstkreuz festklammerte und zwischendurch immer wieder zum Petersplatz hinschielte, ob wir auch schauten, wie er schaute und litt.
    Kardinal Buffi hatte ich auch wiederholt im L'eau vive gesehen, war ihm dort als Begleiter von Monsignore Obernosterer wohl auch aufgefallen. Dieser junge Herr - wer ist dieser junge Herr? Nun ja, das war ich. Buffis Sekretär kam gleich unter einem Vorwand an unseren Tisch und bestellte uns zu einer Privatmesse in seinen Palast an der Via della Conciliazione. Das L'eau vive war übrigens das kirchliche Feinschmeckerlokal. Auf dem Nachhauseweg (durch den Circus Maximus) wurde ich dann noch

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