Einmal rund ums Glück
kann über Funk mit den Fahrern sprechen.
»Warum?«, empöre ich mich. »Wenn Will ihn sich holen kann, sollte Simon Luis Anweisung erteilen, ihn vorbeizulassen! Offenbar ist er doch schneller.«
Ich weiß nicht, wie es genau abläuft, jedenfalls überholt Will kurz darauf Luis in einer Kurve, und ich muss mich zusammenreißen, um nicht laut zu jubeln. Jetzt ist Will in Führung, doch die Anspannung in mir lässt nicht nach, auch dann nicht, als Will einen größeren Abstand zwischen sich und seinen Teamkollegen bringt. Ganz im Gegenteil: Je länger das Rennen dauert, desto mehr zieht sich mein Hals zusammen und desto stärker wird das Gefühl, dass irgendwas auf meinen Magen drückt. Ich will nicht weg aus Wills Garage, doch letztlich ist es eine Erleichterung, als Holly mich mitnimmt und ich mich auf etwas anderes konzentrieren kann als das Rennen.
Für die letzten Runden kehren wir zu den Boxen zurück. Der Countdown bis zur schwarzweißen Flagge kommt mir ewig vor, doch als Will schließlich über die Ziellinie fährt und vor Freude die Faust in den Himmel reckt, löst sich die ganze Anspannung in mir. Es ist sein erster Formel- 1 -Sieg, und ich weiß, dass er sich immer daran erinnern wird. Kurz darauf steigt er aus dem Wagen und läuft zu seinen jubelnden Mechanikern, die hinter der Absperrung warten. Holly und ich sind mitten unter ihnen, und obwohl ich nur ganz kurz von Will in den Arm genommen werde, der ganz feucht vor Schweiß ist und wahrscheinlich nicht mal merkt, dass ich es bin, habe ich das ziemlich sonderbare Gefühl, gerade einen der glücklichsten Momente meines Lebens zu erleben.
Kurz darauf kommt Luis herein. Sein Gesichtsausdruck ist alles andere als begeistert, doch seine Teamkollegen empfangen ihn ebenso freudig. Der Fahrer auf dem dritten Platz, ein Spanier namens Antonio Aranda, wird von seinen Landsleuten ebenfalls mit stürmischem Applaus begrüßt.
Als später alle im Gästebereich sind, laufen Holly und ich uns die Hacken ab, um sicherzustellen, dass jeder ein volles Glas Champagner bekommt. Ich bin nervös, weil ich Will nirgends entdecken kann. Ich weiß, dass er Interviews geben muss, aber Luis ist schon seit zehn Minuten da, und ich wäre wirklich traurig, wenn Will nach England zurückfliegen würde, ohne sich zu verabschieden. Das nächste Rennen ist erst in zwei Wochen in Istanbul. Das kommt mir noch ewig lang vor.
Als Will schließlich unter donnerndem Beifall auftaucht, kann ich einfach nicht aufhören zu grinsen. Mein Herz schwingt sich empor, bis ich nicht mehr ganz bei der Sache bin, weil ich, wohin ich auch gehe, Wills Anwesenheit im Raum spüre, der sich zu den Sponsoren und dem Rest des Teams gesellt. Immer wieder versuche ich, ihm nahezukommen, aber ständig muss ich irgendein Glas nachschenken, und bis ich mich wieder um ihn kümmern kann, ist er schon weitergegangen.
Irgendwann lande ich inmitten von Catalina und ihrer spanischen Clique. Sie hält mir ihr Glas hin, damit ich es auffülle, hat es aber scheinbar nicht nötig, mich zu grüßen oder sich bei mir zu bedanken. Das ganze Wochenende lang hat sie die Vorstandsuite in Beschlag genommen. Ich entdecke Alberta neben ihr und fülle auch ihr Glas nach. Ich wusste gar nicht, dass sie hier ist. Meine Champagnerflasche ist fast leer; ich eile in die Küche und will mit einer neuen zu den Gästen zurückkehren.
»Mach mal voll, Zuckerschnecke.«
Fast stoße ich mit Luis zusammen, der vor der Küche steht. Er hat seinen Rennoverall ausgezogen und trägt jetzt Jeans und T-Shirt.
»Deine Freundin ist ja auch hier«, sage ich ironisch und gieße die sprudelnde Flüssigkeit in sein Glas.
Er sieht mich mit erhobener Augenbraue an. »Sie hat mich das ganze Wochenende ignoriert.«
»Oje!«, sage ich. »Heute ist wirklich nicht dein Tag, was? Gegen Will zu verlieren und dann so was … Wie kam es überhaupt dazu?«
»Hast du geschlafen?«, fragt er.
»Nein, ich habe das meiste gesehen.«
»Tja, er hatte heute den deutlich besseren Wagen. Ganz einfach.«
»Was stimmt denn mit deinem nicht?«
»Zu stark übersteuert.«
»Übersteuert? Ist das dasselbe wie untersteuert?«
»Ähm, nee. Sonst hieße es ja untersteuert, nicht?«
»Sie redet doch wohl nicht wieder über Autos, oder?«
Beim Klang von Wills Stimme drehe ich mich um. Als er mich mit seinen funkelnden blauen Augen angrinst, wird mir ganz schwindelig.
»Soll ich dir dabei helfen?« Er weist auf die fast volle Flasche Champagner in meiner
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