Eins, zwei, drei und du bist frei
entgegen.
Lula verlor den Halt, und beide stürzten zu Boden; Leroy mit ausgestreckten Armen, steif wie ein Brett, wie Frankenstein Junior obenauf.
»Heiliger Strohsack«, rief ich. »Herrgott noch mal!«
»Iiiiiih!« brüllte Lula, die auf dem Rücken lag und mit Armen und Beinen wedelte, während Leroys ganze Last ihr auf die Brust drückten.
Ich hüpfte aufgeregt auf der Stelle und rief immer nur: »Steh auf! Steh auf!«
Und Lula wälzte sich auf dem Boden herum und brüllte: »Zieh ihn runter! Zieh ihn runter!«
Ich packte Leroy am Arm und zog fest, und Lula war mit einem Satz auf den Beinen und schüttelte sich wie ein regennasser Hund. »Iiiih! Wie eklig!«
Wir sahen von oben auf Leroy herab.
»Tot«, sagte ich. »Mausetot.«
»Na, und wie. Und von keinem Kleinkaliber. Das Loch in seinem Kopf ist ja faustgroß.«
»Er stinkt.«
»Hat sich im Schrank erst noch ausgefurzt«, sagte Lula.
Wir mußten beide würgen, liefen zum Fenster und hielten den Kopf raus, um frische Luft zu tanken. Als das Klingeln in meinen Ohren nachließ, ging ich zum Telefon und wählte Morellis Nummer. »Ich habe hier einen Kunden für dich«, sagte ich zu ihm.
»Noch einen?«
Er hörte sich skeptisch an, ich konnte es ihm nicht verübeln. Es war meine dritte Leiche in dieser Woche.
»Leroy Watkins ist aus einem Schrank gefallen und auf Lula gekippt«, sagte ich. »Der Kerl ist so tot, toter geht’s nicht. Den flickt keiner mehr zusammen.«
Ich nannte ihm die Adresse und legte auf, ging zurück in den Flur und wartete ab.
Zuerst kamen zwei Uniformierte, eine halbe Minute später gefolgt von Morelli. Ich erzählte ihm ausführlich, was passiert war. Als er den Tatort besichtigte, wurde ich nervös.
Leroy war nackt und nicht gerade blutüberströmt. Eine Möglichkeit war, daß ihn jemand unter der Dusche überrascht hatte, überlegte ich. Im Badezimmer war kein Blut zu sehen gewesen, allerdings hatte ich auch nicht das Bedürfnis verspürt, hinter den Duschvorhang zu schauen.
Nachdem er einmal die Wohnung abgegangen war und den Tatort gesichert hatte, kam Morelli zurück. Er schob uns aus der Wohnung ins Treppenhaus ein Stockwerk tiefer, weg von dem Geschehen, und wir gingen unsere Geschichte noch einmal in allen Einzelheiten durch.
Zwei weitere Uniformierte trudelten ein. Ich kannte keinen von beiden. Sie sahen Joe an, und er bat sie, draußen vor der Tür zu warten. Ein Fernseher dröhnte unbeirrt weiter. Das gedämpfte Geschrei streitender kleiner Kinder drang bis ins Treppenhaus. Kein Nachbar machte diesmal die Tür auf, um zu erfahren, was die Polizei in seinem Haus trieb. Gesunde Neugier war in diesem Viertel eine ausgeprägte Charaktereigenschaft.
Morelli zog den Reißverschluß an meiner Jacke hoch. »Das war alles. Ich brauche dich nicht mehr – vorerst.«
Ehe ich mich versah, war Lula schon eine halbe Treppe tiefer.
»Ich muß raus hier«, sagte sie. »Meine Akten rufen.«
»Bullen machen sie nervös«, sagte ich zu Morelli.
»Ja«, sagte er. »Das Gefühl kenne ich. Die machen mich auch nervös.«
»Wer, meinst du, hat Leroy alle gemacht?« fragte ich Morelli.
»Hätte jeder machen können. Selbst seine Mutter.«
»Ist das normal, daß drei Dealern innerhalb einer Woche der Abgang gemacht wird?«
»Wenn gerade irgendein Bandenkrieg tobt.«
»Tobt gerade ein Bandenkrieg?«
»Nicht daß ich wüßte.«
Zwei Zivile kamen die Treppe herauf und blieben auf dem Absatz stehen. Morelli streckte den Daumen nach oben, zeigte eine Treppe höher, die beiden Männer brummten zur Bestätigung und stapften weiter.
»Ich muß nach oben«, sagte Morelli. »Man sieht sich.«
Man sieht sich? Mehr nicht? Na gut, eine Treppe höher lag ein Toter, und in dem Haus wimmelte es von Polizei. Ich konnte zufrieden sein, daß Morelli die Sache so professionell anging. Ich konnte zufrieden sein, daß ich ihn nicht abwimmeln mußte, oder? Trotzdem – »man sieht sich«, das hörte sich an wie »ruf mich nicht an, ich melde mich schon«. Ich wollte nicht unbedingt, daß Morelli sich meldete, ich fragte mich nur, warum er es nicht wollte. Stimmte irgend etwas nicht mit mir? Warum machte er keine Annäherungsversuche?
»Stört dich irgend etwas?« fragte ich Morelli, aber der war bereits verschwunden, untergetaucht in dem Gewusel von Polizisten im zweiten Stock.
Vielleicht muß ich ein bißchen abspecken, dachte ich, während ich die Treppe hinunterstapfte. Mir ein paar rote Strähnen ins Haar machen lassen.
Lula wartete
Weitere Kostenlose Bücher