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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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Rollenbesetzung. Sechs ahnungslose Schweden, die sich plötzlich so weit von zu Hause befanden und keine Ahnung hatten, wie sie sich verhalten sollten.
    Oder was sie erwartete. Nachdem die Pässe lange und sorgfältig geprüft worden waren – von dreien der Männer, der vierte stand mit halb erhobener Waffe da und passte auf, dass keiner der Reisegruppe auf unerwünschte Ideen kam –, steckte einer von ihnen, vielleicht war es der Anführer, er schien zumindest der Älteste zu sein, sie in die Brusttasche seiner Uniformjacke und sagte etwas zu den anderen. Zwei von ihnen nickten, der dritte, der deutlich jünger zu sein schien als die anderen, vielleicht war er sogar noch ein Teenager, lachte laut, bekam aber sofort einen Anschnauzer. Tomas versuchte etwas auf Englisch in der Richtung zu sagen, dass sie ihre Pässe wiederhaben wollten, wurde aber zum Schweigen gebracht, indem der Anführer losbrüllte, seine Kalaschnikow hob und damit über die Gruppe schoss.
    Das war deutlich genug. Rickard spürte, wie Anna an seiner Seite versuchte, heimlich ihre Hand in seine zu schieben, aber er fürchtete, das könnte nicht gewünscht sein, und schob sie zurück. Jetzt diskutierten die Männer miteinander. Drei von ihnen hatten sich Zigaretten angezündet, nein, sie diskutierten nicht, eher war es so, dass der Anführer Befehle erteilte. In erster Linie war er derjenige, der redete, die anderen nickten und brachten den einen oder anderen kurzen Kommentar an. Der Jüngste musste wieder lachen – ein abgehacktes, freudloses Lachen, das eher wie Hundegebell klang –, aber dieses Mal wurde er nicht zurechtgewiesen.
    Es vergingen mehrere Minuten. Unendlich viel Zeit, wie Rickard fand. Die sechs Schweden standen an der Wand aufgereiht, die vier rumänischen Soldaten oder was immer sie waren, standen vier, fünf Meter vor ihnen, rauchten und planten. Eine schmutzige Lampe hoch oben an der Wand warf einen unheilvollen Schein auf die ganze Szene. Gunilla hatte angefangen zu weinen, ein leises, verbissenes Weinen, das kaum wahrzunehmen war. Der Bus stand immer noch brummend da. Rickard schloss die Augen und betete stumm ein Vaterunser. Die ganze Zeit regnete es.

40
    I ch habe über eine Sache nachgedacht«, sagte Eva Backman. »Wenn wir es tatsächlich mit zwei Morden zu tun haben … oder zumindest mit einem … was für ein Motiv könnte es dann geben?«
    »Da habe ich nicht den blassesten Schimmer«, sagte Gunnar Barbarotti. »Und ich könnte schwören, du auch nicht.«
    »Vollkommen richtig«, bestätigte Eva Backman. »Nicht einen Funken. Aber das Schlimme dabei ist, dass ich mir auch nur schwer eins vorstellen kann. Zumindest, wenn es sich um zwei Morde handelt. Warum wartet man fünfunddreißig Jahre! Was ist das für ein Verrückter, der zwei seiner Freunde mit so einem Abstand dazwischen tötet?«
    »Wenn es denn einer von ihnen ist.«
    »Wenn dem so ist, ja. Aber es wird nicht viel logischer, wenn wir von einem Außenstehenden ausgehen. Oder?«
    »Zumindest haben wir dann ein paar mehr Kandidaten, zwischen denen wir aussuchen können«, sagte Barbarotti. »Aber vielleicht hatte er gar nicht geplant, beide umzubringen. Anfangs, meine ich.«
    »Er?«, fragte Eva Backman.
    »Er oder sie. Wenn Germund Grooth nun tatsächlich in die Gänseschlucht gestoßen wurde, dann muss ja in letzter Zeit etwas passiert sein, das … ja, das diese Tat ins Rollen gebracht hat.«
    »Ins Rollen gebracht?«
    Barbarotti seufzte. »Verdammt, was weiß ich. Aber kannst du dir einen Plan vorstellen, der davon ausgeht, dass du zwei Personen tötest. Den einen heute, den anderen in fünfunddreißig Jahren?«
    »Klingt weit hergeholt«, sagte Eva Backman.
    »Genau das sag ich doch«, bestätigte Barbarotti.
    »Das habe ich schon gehört«, sagte Backman, »aber warum ist Grooth so bescheuert und begibt sich überhaupt in den Wald und wird ermordet? Wenn seine Lebensgefährtin dort vor hundert Jahren gestorben ist, dann muss er doch Lunte gerochen haben. Schließlich war er kein Dummkopf.«
    »Ich dachte, wir wollten aufhören zu spekulieren«, sagte Barbarotti.
    »Na gut. Aber irgendwas ist da nicht koscher an dieser
Gruppe.«
    »Ich weiß«, bestätigte Barbarotti. »Da ist was. Sandlin hat es 1975 geahnt, und wir ahnen es jetzt. Wollen wir noch eine Runde drehen? Ich meine, bei denen, die noch da sind?«
    »Warum nicht?«, meinte Backman. »Vielleicht sollten wir dabei ein bisschen hellhöriger vorgehen, das könnte nicht schaden. Was hast du dem

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