Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
diejenigen, die die Juwelen taxieren, und die, die das weiße Pulver prüfen, nähern sich ehrerbietig und verbeugen sich vor Oona. Kanter tut, als wäre nichts dabei, aber seine kleinen Augen bemerken alles. Er will Bewunderung für den Paradiesvogel, den er sich ins Nest geholt hat. Nicht nur weil die Frau schön ist, sondern weil sie ihm gehört. Er forscht in den Gesichtern seiner Leute nach dem geringsten Zeichen von Respektlosigkeit. Rick ahnt, warum. Als er den Boss und Oona im hellen Sonntagslicht beisammen sieht, wird es deutlich: Der Mann könnte ihr Großvater sein. Kanter ist welk, Gesicht und Hände weisen Flecken auf, gebeugt sitzt sein Kopf zwischen den Schultern. Wenn es ums Geschäft geht, ist Kanter der Leitwolf; Erfahrung, Taktik und Gewalt hat er im kleinen Finger. Bei Oona zählt das nicht, die Macht der Jugend besiegt den alten Mann. Kanter spürt das. Rick hat guten Grund, den Job zu fürchten, den er zugedacht bekommt. Der Auftrag, eine Zeitbombe zu bewachen, wäre gemütlicher.
Oona lässt die Show gelassen über sich ergehen. Wie viel weiß sie von dem, was Kanter tut? Wie viel weiß jede dieser Frauen von dem, was ihre Männer tun? Hübsch sind sie alle, kostbar sind ihre Ringe und Halsketten, die Handtaschen stammen nicht vom Wühltisch aus dem Kaufhaus. Einer von Kanters Schlägern legt seinen Arm besitzergreifend um eine
Platinblonde. Sie sieht nicht dumm aus; was findet sie an diesem Neandertaler? In der Firma nennen ihn alle das Stahlrohr, weil er eigentlich nichts tut, als zuzuschlagen.
Nicht zum ersten Mal melden sich Zweifel bei Rick. Ist das der Stall, in den er gehört? Diese Gesellschaft soll ihn von nun an umgeben? Es sind nicht nur die schrillen Krawatten und die protzigen Feuerzeuge. Es sind das laute Lachen und diese Blicke: Uns kann keiner was, wir scheißen auf alles, sagen die Blicke. Kanter hat Rick geholfen, als er orientierungslos war und davonlief. Jetzt ist Rick mittendrin in Kanters Welt und trotzdem ein Außenseiter. Deutlicher hat er es noch nie gespürt. Sie stoßen an, sie wollen zu den Wagen, wollen den Festzug nicht verpassen. Rick hat ein ungutes Gefühl im Bauch. Er möchte zu Storm. Mit ihr könnte er den Irrsinn besprechen, den er zurzeit sein Leben nennt. Sie würde zuhören, sie wüsste Rat.
Aber der Tag geht weiter und immer weiter. Selten sind Rick ein paar Stunden so endlos erschienen. Sie sitzen an langen Tischen, essen, lachen und quatschen. Rick kriegt von allem zu viel. Er verträgt keinen Alkohol mehr, doch irgendwer schenkt ihm immer nach. Rick beobachtet, wie die Frisuren der Gattinnen sich allmählich lösen, wie der Lippenstift verwischt. Er sieht einen der Jungs heimlich in den Blumenkübel pinkeln. Rick erkennt, wie Kanter wird, wenn er zu viel getrunken hat, ein teigiger Leopard, der laut brüllt und doch zerfließt. Oona lacht und
trinkt wie ein Kerl. Kanter beobachtet sie, wenn sie mit Männern spricht. Dann wird der Leopard zur Viper.
Die Runde zieht in ein Pastramilokal weiter, wo der Besitzer der Ehre Ausdruck gibt, dass Kanter ihn besucht. Als der mächtige Mann sich umdreht, zerfällt das Grinsen des Imbissbesitzers zur hasserfüllten Grimasse. Hassen sie Kanter so sehr? Sind sie von ihm so abhängig, dass sie kuschen, auch wenn sie ihm am liebsten das Pastramimesser in den Rücken rammen würden?
Die Dämmerung schwemmt die Männer in eine Bar, die Frauen werden heimgeschickt. Oona hat einen Sonderstatus, sie ist das Maskottchen, die Madonna, die der Prozession vorangetragen wird. Sie wirkt immer noch nüchtern und sieht sich von Zeit zu Zeit nach ihrem jungen Aufpasser um. Sie schmunzelt, weil Rick so trübe in der Ecke steht, an diesem Tag, der dem Vergnügen dient. Rick träumt mit offenen Augen von Storm.
Endlich will Kanter heim. Rick atmet auf, hofft, dass sein Dienst damit endet. Im Geist sieht er sich schon in den Expresstrain springen und nach Brooklyn sausen.
»Ich bin nicht müde«, sagt Oona zu Kanter. »Ich will noch Freunde treffen. Geh schon vor, ich komme nach.«
Rick ist sicher, dass der Alte ihr das verbieten wird, aber er lächelt nur. Rick sieht ihm an, wie viel Mühe es ihn kostet.
»Wie du willst.« Kanter lässt sich von Howard heimfahren. Bevor er ins Auto steigt, nimmt er Rick ins Visier: »Du weichst ihr nicht von der Seite.«
Rick nickt. Jetzt beginnt sein Auftrag wirklich.
»Ich will tanzen«, sagt Oona. »Hol den Wagen.« Sie sieht so frisch aus, als käme sie gerade aus der Dusche.
Die
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