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Einsatzort Vergangenheit (German Edition)

Einsatzort Vergangenheit (German Edition)

Titel: Einsatzort Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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eine Ewigkeit vor, bis
wir die Brücke überquert hatten. Andauernd mussten wir irgendwelchen Kutschen
und anderen Fuhrwerken ausweichen, die in unglaublichen Mengen die Brücke
passierten. Dabei mussten wir aufpassen, wo wir hingingen, um nicht
versehentlich in die Hinterlassenschaften der in Scharen freilaufenden Tiere
hineinzutreten, Bettler und andere heruntergekommene Gestalten bevölkerten den
Straßenrand. Eingeschüchtert von dem Ganzen um mich herum, hielt ich mich näher
an Phil. Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass es etwas anderes war,
Geschichte studiert zu haben, als plötzlich mittendrin zu sein. Bisher waren
alle Geschehnisse für mich nur Fakten auf dem Papier gewesen. Nun wurde ich mit
einem Mal damit in der Realität konfrontiert und es erschreckte mich zutiefst.
Es war so viel drastischer, als ich es mir in meiner Fantasie immer vorgestellt
hatte. Der Dreck, der Geruch, die Armut, die sinnlose Zurschaustellung der
Hingerichteten, alles schien wie eine Welle auf mich zuzukommen und über mir
zusammenzuschlagen. Ich musste schwer schlucken und es dauerte einige Zeit, bis
ich mich damit abgefunden hatte und anfangen konnte mir meine Umgebung näher
anzusehen, um mich mit ihr anzufreunden.
    Von
der London Bridge führte uns unser Weg am London Stone vorbei zur alten St.
Paul‘s Cathedral, die bereits in wenigen Jahren ebenfalls ein Opfer des großen
Brands werden würde. Was ich sah, enttäuschte mich insgeheim. In meinem Kopf
hatte sich die imposante Kuppel der heutigen Kirche eingeprägt, die dem
Petersdom in Rom so sehr ähnelte. Nun standen wir vor einer gotischen Kirche,
die keinerlei Ähnlichkeit mit dem mir bekannten Gotteshaus aufwies. Sicherlich
war sie beeindruckend und überragte die umstehenden Fachwerkhäuser um ein
vielfaches, der durch einen Blitzschlag zerstörte Turm ließ das gesamte Gebäude
jedoch heruntergekommen wirken. Doch selbst wenn das Gebäude und die Umgebung
etwas schäbig wirkten, hätte ich alles auf der Welt dafür gegeben diese Momente
mit der Handykamera für die Ewigkeit festzuhalten. Mein gesunder
Menschenverstand hielt mich jedoch davon ab, auch ohne die Möglichkeit diese
beeindruckende Kulisse auf einer Speicherkarte zu sichern, war ich mir sicher,
dass ich mich bis an mein Lebensende an dieses schier unglaubliche Erlebnis
erinnern würde und diese Bilder für immer auf meiner eigenen, internen,
Festplatte gespeichert waren.
    Phil
wurde seiner Rolle als Stadtführer mehr als gerecht und führte mich zu allen
erdenklichen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Nie hätte ich gedacht, dass ich je
einen Tag mit ihm verbringen würde, der mir dermaßen viel Spaß machte, wie
dieser. Als wir trotz unseres üppigen Mittagessens ein leichtes Hungergefühl
verspürten, erstanden wir bei einem Straßenhändler kleine Fleischpasteten, die
wir sofort verzehrten. Dabei sahen wir einer Gruppe von Gauklern zu, die ihre
beeindruckenden Jonglierkünste und akrobatischen Einlagen unter dem
begeisterten Applaus der umstehenden Zuschauer zum Besten gaben.
    Stundenlang
waren wir unterwegs und ich bekam den Eindruck, dass wir die ganze Stadt zu Fuß
abgelaufen waren. Meine Füße waren jedenfalls fest davon überzeugt, dass es die
ganze Stadt gewesen war. Mit Einbruch der Dämmerung beschloss Phil, dass es an
der Zeit war zurückzukehren, da er Begegnungen mit unliebsamen Subjekten in der
Dunkelheit aus dem Weg gehen wollte. Mit Hilfe einer der vielen Fähren machten
wir uns auf den Rückweg zu unserer Unterkunft nach Southwark.
    „Hör
mal, vielleicht wäre es sinnvoll, wenn wir den Abend hier im Gastraum
verbringen. Wer weiß vielleicht kommt König Zufall vorbei und wir bekommen mit,
was hier falsch läuft“, meinte Phil, als wir im Inn ankamen und ich bereits auf
dem Weg nach oben war. Dass wir noch eine Aufgabe hatten, war durch die vielen
neuen Eindrücke und das Erlebte des Nachmittags vollkommen in den Hintergrund
gedrängt worden. Seine Worte brachten das mit einem Schlag wieder in mein
Gedächtnis zurück. Wie hatte mir das nur entfallen können? Zustimmend nickend
folgte ich Phil in den Gastraum des Inns, wo es zuging wie in einem
Taubenschlag. Lautes Stimmengewirr aus aller Herren Länder war zu vernehmen und
bei einem kurzen Blick durch den Innenraum sah ich, dass fast alle Tische voll
besetzt waren. Aus einer Ecke drang ein Liebeslied an mein Ohr und bei
genauerem Hinsehen sah ich dort einen Musiker mit Laute. An einigen Tischen
wurde Karten gespielt oder gewürfelt.

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