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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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als sie seufzte. »Ich werde es ihm sagen müssen. Lobey – du heißt doch so?«
    »Spinne hat mir gesagt, ich soll mit dir reden …«, bot ich als Übergang an. Ich wollte mich durch informative Haken an ihre Welt hängen.
    Ihr Lächeln hätte einen Mann in zwei Hälften schneiden können. »Du willst dir die Geschichte zu einfach machen. Spinne. Der große Lord Spinne? Der Verräter, der falsche Freund, der schon das Todesurteil für Grünauge unterschrieben hat. Kümmer dich nicht um diesen zum Untergang bestimmten Mann. Kümmer dich um dich selber, Lobey. Was willst du wissen …«
    »Das Todesurteil …«
    Sie berührte mich an der Wange. »Sei selbstsüchtig. Was willst du?«
    »Friza!« Ich sprang fast von meinem Stuhl auf.
    Sie lehnte sich zurück. »Nun werde ich dir eine Frage stellen, ohne deine Frage schon beantwortet zu haben. Wer ist Friza?«
    »Sie …« Dann sagte ich: »Sie war fast so schön wie du.«
    Ihr Kinn senkte sich. Helle, helle Augen verdunkelten sich und senkten sich ebenfalls. »Ja.« Das Wort kam tonlos, nur mit dem Klang des Atems, den ich gesehen hatte. So viele Fragen in ihrem Gesicht machten das Gesicht, an das ich mich erinnerte, ätzend.
    »Ich …« Das falsche Wort. »Sie …« Eine Faust schlug plötzlich gegen meine Rippen. Dann hielt sie inne, öffnete sich, griff in meinen Kopf hinauf und kratzte von innen mein Gesicht hinunter: Stirn und Wangen brannten. In meinen Augen war stechender Schmerz.
    Sie holte Luft. »Ich verstehe.«
    »Nein, das tust du nicht«, stieß ich hervor. »Das tust du nicht.«
    Alle starrten uns wieder an. Sie blickte nach rechts, nach links, biß sich auf die Lippen, als sie wieder zu mir schaute. »Du und ich, wir sind … also, wir sind nicht ganz gleich.«
    »Hm? … Oh, aber – Taube …«
    »Ja, Lobey?«
    »Wo bin ich? Ich bin aus einem Dorf gekommen, mitten aus der verlassensten Wildnis, durch Drachen und Blumen. Ich habe mein Lo weggeworfen, ich bin auf der Suche nach meinem toten Mädchen, ich jage einen nackten Cowboy, der so gemein ist wie Spinnes Peitsche. Und irgendwo wird ein schmutziger einäugiger Prinz … er wird sterben, während ich weitermache. Wo bin ich, Taube?«
    »Ganz nahe bei einem alten Ort, den man Hölle nennt.« Sie sprach jetzt rasch. »Du kannst durch den Tod dort eintreten oder durch Gesang. Aber es ist möglich, daß du ein bißchen Hilfe brauchst, um wieder herauszufinden.«
    »Ich suche nach meinem dunklen Mädchen und finde dich, Silberne.«
    Sie erhob sich, und Klingen von Licht stießen von ihrem Kleid gegen mich. Ihre weiche Hand schwang an ihrer Hüfte. Ich faßte sie mit meiner rauhen Hand. »Komm«, sagte sie.
    Ich folgte ihr.
    Als wir von der Brüstung hinunterstiegen, lehnte sie sich gegen meinen Arm. »Wir werden einmal durch den ganzen Raum gehen. Ich nehme an, du hast die Wahl, entweder zuzuhören oder zu beobachten. Ich zweifle, daß du beides kannst. Ich könnte es nicht, aber versuch es immerhin.« Während wir im Raum herumzugehen begannen, schlug ich mir mit der flachen Machete gegen das Schienbein.
    »Wir sind erschöpft davon, menschlich zu sein, Lobey. Um auch nur ein Dutzend weitere Generationen lang zu überleben, müssen wir die Gene mischen, mischen, mischen.«
    Ein alter Mann stützte seinen Bauch auf die Tischkante, stierte das Mädchen ihm gegenüber an. Sie leckte sich mit der Zunge den Mundwinkel, ihre Augen erstaunlich blau und erstaunlich schön. Ihre Wangenknochen machten sich über ihn lustig.
    »Man kann die Leute nicht zwingen, Kinder mit vielen verschiedenen Leuten zu haben. Aber wir können die Vorstellung« – sie ließ die Lider sinken – »so attraktiv wie möglich machen.«
    Am nächsten Tisch war das Gesicht der Frau zu locker für die Knochenstruktur darunter. Aber sie lachte. Ihre Hand runzelte sich über die glatten Finger des jungen Mannes ihr gegenüber. Sie blinzelte neidisch aus faltigen gemalten Augen auf seine glatten Lider, schwarz wie Oliven, wenn er blinzelte. Sein Haar war glänzender als das ihre und zerzaust, während sie mit Hochglanzlack frisiert war.
    »Wer bin ich, Lobey?« sagte die Taube rhetorisch – mehr als daß sie fragte. »Ich bin das Schlüssel-Image in einer Werbekampagne. Ich bin die gute-böse wilde Sache, die jeder sich wünscht, die jeder zu sein wünscht – der neunundneunzig lieber hat als einen. Ich bin diejenige, die die Männer von Saat zu Saat suchen. Ich bin diejenige, nach der alle Frauen ihre Frisuren richten, ihre Säume

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