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Einstein, Orpheus und andere

Einstein, Orpheus und andere

Titel: Einstein, Orpheus und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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ausbrach. Mit beiden Händen um den Griff stieß ich die Klinge in seinen Schenkel, nagelte ihn an das Holz. Ich schrie noch einmal, dann riß ich mich zitternd los.

 
13.
     
    Aus Mitleid mit der Menschheit düsternden Gedanken betrat er diesen Raum und strömt von dorten nun galileisch ungestüm nach allen Orten; die Sternenlichter Babylons versanken in ungeheures, ungestaltes Dunkel hier.
    William Butler Yeats / Song from a Play
     
    Ich habe gehört, daß Sie 1000 Dollar für meinen Körper geben wollen, was, wie ich mir denke, heißt, als Beweis …
    Wenn es möglich wäre, daß ich vor Gericht erscheinen könnte, dann würde ich die gewünschte Information liefern, aber es besteht Anklage gegen mich wegen Sachen, die im Kriege in der Lincoln Country passiert sind, und habe ich Angst, mich zu stellen, weil meine Feinde mich umbringen würden.
    William H. Bonney (»Billy the Kid«) / Brief an Gouverneur Wallace
     
    Ich suche mit Girlanden dieses Unrecht zu beheben.
    Andrew Marvel / The Coronet
     
    Die See brach auf. Morgen lief über das Wasser. Ich ging allein den Strand entlang. Es lagen viele Muscheln da.
    »Hallo, Lobey!«
    Was immer in mir gewesen war, entkrampfte sich und bebte wie zerbrochenes Uhrwerk.
    »Na, wie war’s denn so?«
    Er hockte am Fuß der Düne auf einem Baumstamm, der in den feuchten Sand gerammt war. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen zu mir herauf, strich sich das Haar zurück. Die Sonne entflammte die Kristalle auf seiner Schulter, auf seinen Armen: Salz.
    »Ich habe sehr, sehr lange gewartet.« Er kratzte sich am Knie. »Wie geht’s dir?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Müde.«
    »Wirst du was spielen?« Er deutete auf mein Schwert. »Komm doch ’runter.«
    »Ich hab’ keine Lust«, sagte ich.
    Sand rieselte unter meinen Fußsohlen. Ich schaute zu Boden, und in diesem Augenblick brach unter mir ein Stück der Düne ein. Ich taumelte. Furcht schüttelte sich in mir frei. Ich fiel, ich krallte mich in den Sand. Unter Kids Kichern schlitterte ich den Hang hinunter. Am Fuß angelangt, wirbelte ich herum. Kid saß immer noch auf seinem Baumstamm. Er blickte auf mich herab.
    »Was willst du?« flüsterte ich. »Du hast Grünauge verloren. Was willst du von mir?«
    Kid rieb sich am Ohr, lächelte mit vielen kleinen Zähnen. »Ich brauche das da.« Er deutete auf meine Machete. »Glaubst du wirklich, Spinne würde tatsächlich …« Er brach ab. »Spinne hat entschieden, daß Grünauge, du und ich in ein und derselben Welt nicht am Leben bleiben dürfen; es wäre zu gefährlich. Also hat er das Todesurteil unterzeichnet und hat Grünauge aufhängen lassen, während du ihn ausgespielt hast und ich tief unter der See weinte, wo man die Tränen nicht sieht; glaubst du das?«
    »Ich … ich weiß es nicht.«
    »Ich glaube, Grünauge lebt. Ich weiß es nicht sicher. Ich kann ihn nicht verfolgen, wie ich euch andere verfolgen kann. Er könnte natürlich auch tot sein.« Er beugte sich nach vorn und bleckte die Zähne. »Aber er ist nicht tot.«
    Ich stieß mich mit dem Rücken vom Sand ab.
    »Gib mir dein Schwert.«
    Ich nahm den Arm zurück. Plötzlich stieß ich vorwärts und hackte auf ihn ein. Er wich aus. Holz splitterte.
    »Wenn du mich treffen würdest«, sagte er, »dann wäre das wahrscheinlich unangenehm. Ich kann bluten. Aber da ich deine Gedanken lesen kann – also unter den Umständen sind Versuche, mich auf diese Weise zu beseitigen, wirklich sinnlos.« Er zuckte mit den Achseln, lächelte sanft. Er streckte die Hand aus und berührte die Klinge.
    Meine Hand zuckte. Er nahm die Machete, befingerte die Löcher. »Nein«, seufzte er. »Nein, davon habe ich gar nichts.« Er reichte mir das Messer wieder. »Zeigst du mir, wie’s geht?«
    Ich nahm das Messer, weil es mir gehörte und weil ich nicht mochte, daß er es in der Hand hielt.
    Er kratzte sich mit dem linken Fuß an der rechten Ferse. »Ach, komm schon. Zeig mir’s. Ich brauche das Messer nicht. Ich brauche die Musik, die in ihm drinsteckt. Spiel doch, Lobey.« Er nickte.
    Schreckenstarr legte ich den Griff an den Mund.
    »Nun fang schon an.«
    Ein Ton zitterte.
    Er beugte sich vor, die goldenen Lider gesenkt. »Jetzt werde ich alles an mich nehmen, was noch übrig ist.« Seine Finger verstrickten sich ineinander. Seine Zehen krümmten sich, zerkrallten mit Klauen den Sand.
    Ein zweiter Ton.
    Ich begann einen dritten …
    Es war ein Klang und zugleich eine Bewegung und ein Gefühl. Es war ein lautes Schnapp:

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