Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Arztpraxis für ihr Wartezimmer bekommen, und in der Kneipe sind auch ein paar Schmöker gelandet. Falls die Hausgäste mal Langeweile haben.«
Judith ging an ein paar wertvoll aussehenden Lederrücken vorbei. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. »Sogar mit Goldschnitt, alle Achtung. Manche sehen aus wie neu. Hier ein ganzes Lexikon mit zwölf Bänden und hier noch eins. Wo hatte die Gemeinde diese tollen Bücher bloß her?«
»Speziell die?«, fragte Laura, »die stammen von Beschlagnahmungen nach dem Krieg und wurden dann auf die öffentlichen Bibliotheken verteilt. Gutsarchive, Adelsbibliotheken, Privatsammlungen, egal. Es wurde alles enteignet, zentral gesammelt und dann umverteilt. Auch mit herrenlosen Bibliotheken wurde so verfahren. Jede interessierte Gemeinde bekam genug, um eine eigene Bibliothek einrichten zu können. Bildung sollte aufs Land. Und ... Oh!« Sie sah ihre Zuhörer beeindruckt dastehen.
»Laura hat als Kind hier viel Zeit mit ihrem Großvater verbracht«, erklärte Walter unnötigerweise.
Judith meinte nur: »Und sie ist Archivarin, ich weiß. Ein wenig scheint sie sich da auch mit Büchern auszukennen, vermute ich.«
Alle drei mussten lachen.
»Jetzt gibt es erst mal was zu essen und dann könnt ihr gern weiter fachsimpeln«, ordnete Walter an und verschwand in Richtung seiner Vorräte. Es mangelte ihnen an nichts und wohlig satt saßen sie nach der Mahlzeit beim Bier. Die Frauen hatten sich in die geräumigen Sessel gekuschelt.
Judith kam auf die Bücher zurück. »Gab es da denn nie Ärger? Die Eigentümer haben ganz sicher ihre Bibliotheken vermisst? Oder weiß man darüber nichts?«
Walter überlegte und antwortete dann: »Wem die ursprünglich gehörten? In einigen Bänden sind richtig kunstvolle Exlibris oder Widmungen drin. Da könnte man das möglicherweise herausfinden. Ich habe hier in Waldau zumindest nie gehört, dass irgendjemand einige von den Büchern zurückhaben wollte.«
Judith fiel auch kein entsprechender Fall ein, in dem sie zu ermitteln gehabt hätten. Zwar war das bei der Bezirksbehörde nicht ihr Ressort gewesen, aber auch in den allen Mitarbeitern zugänglichen Tagesrapporten war davon nie berichtet worden.
Walter ging zu seinem Bücherregal, um Judith eines seiner Lieblingsbücher herauszusuchen. Er wusste genau, wo es stand, dennoch musste er dringend irgendeine Ordnung für die anderen Bücher finden, stellte er wieder einmal fest. Er begann, über ein sinnvolles System nachzudenken.
Als er sich umdrehte, waren seine beiden Besucherinnen eingeschlafen. Er betrachtete die Frauen ganz ruhig. Dann setzte er sich behutsam auf den letzten freien Sessel und begann zu lesen, von leisem Schnurren aus der Ofenecke begleitet. War er nicht ein glücklicher Mann?!
Mittwoch
~ 43 ~
Beim Frühstück bat Judith: »Laura, ich würde ungern allein mit diesem Chefarzt aus Uchtspringe reden, der das Projekt zur Klinikgeschichte leitet. Ein Dr. Johannes Meden. Ich habe von dem Thema keinerlei Ahnung. Vielleicht fallen Ihnen irgendwelche Sachen auf. Würden Sie mich bitte begleiten? Noch heute Vormittag?«
»Gern. Ja.« Laura war froh, beschäftigt zu werden. So war sie von den Gedanken um Astrid abgelenkt. »Dr. Johannes Meden. Nie gehört. Ich bin richtig neugierig, was er uns erzählen kann. Machen wir uns sofort auf den Weg?«
»Gleich. Ich muss erst noch in Gardelegen anrufen und Dr. Grede Bescheid sagen, damit er weiß, wo er mich finden kann. Mit Walter Dreyer muss ich nur noch kurz besprechen, was heute zu tun ist. Aber dann kann es schon losgehen.«
Walter war in seinem Keller und übergoss gerade die Schinken, als er die Tür gehen hörte. »Komme gleich!«, rief er, vorsichtiger geworden, nach oben.
Er war mit seiner Arbeit als Fleischer sehr zufrieden. Die Schinken schienen die Lake gut anzunehmen und wechselten schon etwas ihre Farbe.
»Darf ich runterkommen?« Judith war neugierig geworden, als sie im Dielenboden die offene, von einem eisernen Gegengewicht gehaltene Kellerklappe sah. Nun bückte sie sich in die Dunkelheit hinab.
»Pass auf, die Stufen sind schmal«, begrüßte er sie am Fuße der kleinen Holztreppe. »Wie hast du geschlafen?«
Für die fürsorgliche Frage bekam er einen angemessen liebevollen Kuss und musste dann auf die Frage antworten: »So sehen also deine Schinken aus?«
»Genau. Das ist aber eigentlich ein Geheimnis, sodass wir schnellstens wieder an die Oberwelt gelangen müssen, um sie nicht zu verderben.« Er
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