Eisenhand
für das Festmahl gestiftet.«
Ich stellte meinen Becher ab.
»Ich will gewiß nicht indiskret sein, aber könnten Sie mir eines verraten …« Diese seltsam vertraueneinflößende und doch so gefühllose Frau ging mir an die Nieren. Darum wechselte ich ganz bewußt das Thema. »Als der General sein Flaggschiff verlor – was hat sich da wirklich zugetragen?«
Sie lächelte und schwieg.
Das war auch so ein dummer Zwischenfall gewesen. Ich erzählte ihr, was ich bereits herausgefunden hatte. Nach einer ziemlichen Pechsträhne in Nordeuropa, wo Civilis und die Bataver, entschlossen, niemals vor Rom zu kapitulieren, ihn in den Sümpfen ihrer Heimat in Guerillakämpfen verwickelt hatten, war Petilius Cerialis nach Novaesium und Bonna gereist, um ein paar Winterquartiere zu inspizieren und sich eine Verschnaufpause zu gönnen (seine Lieblingsbeschäftigung). Zurückkehren wollte er mit einer dringend benötigten Flotteneinheit. Doch wieder mangelte es an Disziplin; wieder waren seine Vorposten nachlässig. So konnten sich in einer finsteren Nacht die Germanen einschleichen, kappten die Zeltschnüre und richteten Chaos an, während unsere Soldaten wie die Ameisen unter ihren eingestürzten Zelten herumkrabbelten oder kopflos und halbnackt durchs Lager rannten. Diesmal war überhaupt keiner da, der sie hätte sammeln können, denn Cerialis verlustierte sich wieder einmal anderswo.
»Ja, und dann nahm der Feind das Flaggschiff ins Schlepptau; Julius Civilis glaubte ja, der General sei an Bord.«
»Sein Pech!« schnurrte Claudia.
»Dabei hatte er wieder mal außerhalb des Lagers geschlafen, wie?« Ich versuchte, nicht kritisch zu klingen.
»Offensichtlich.«
»Mit Ihnen? Ich meine … das behaupten die Leute.« Ich hatte große Schwierigkeiten, mir das vorzustellen.
»Sie erwarten doch hoffentlich nicht, daß ich darauf antworte.«
»Verstehe.« Also tatsächlich mit ihr.
»Sie sagten doch, Ihre Ermittlungen hätten nichts mit Petilius zu tun – warum dann all diese Fragen über längst Vergangenes?« Ich kam der Wahrheit näher, als ihr lieb war.
»Ach, wissen Sie … ich habe nun mal ’ne Schwäche für lebensechtes Hintergrundmaterial.« Ich setzte darauf, daß mein Interesse an Petilius ihr gefährlich erscheinen und sie versuchen würde, mich mit den Informationen abzulenken, hinter denen ich eigentlich her war. Aber sie war härter als erwartet. Hinter der Fassade törichter Geschwätzigkeit verbarg sich ein hellwacher Geschäftssinn. »A propos: Was ist eigentlich aus dem Flaggschiff geworden?«
»Bei Tagesanbruch segelten die Rebellen mit den römischen Schiffen davon. Das Flaggschiff haben sie ihrer heiligen Seherin zum Geschenk gemacht.«
»Veleda!« Ich pfiff leise durch die Zähne. »Aber gesetzt den Fall, Cerialis war in dieser Nacht bei Ihnen – dann hätten Sie ihm ja das Leben gerettet?«
»Stimmt!« bestätigte sie stolz.
»Wäre er an Bord gewesen« – wo er hingehörte! –, »hätte ihn ein grausiges Schicksal erwartet. Vom letzten römischen Offizier, den die Aufständischen ihrer Seherin Veleda schickten, hat man nie mehr etwas gehört.«
»Schrecklich!« bemerkte sie mit höflich-ungerührter Anteilnahme.
»Ihm gilt mein Auftrag«, erklärte ich. »Er war Legionslegat, und ich soll nun im Namen des Kaisers und seiner Familie herausfinden, welch trauriges Schicksal ihn ereilt hat. Sie sind ihm vermutlich nie begegnet, denn er war weitab von hier stationiert – in Vetera …«
»Munius Lupercus?« Sie klang überrascht. »Oh, aber da irren Sie sich, mein Lieber«, erklärte die unerschütterliche Claudia. »Ich habe Munius sehr gut gekannt.«
XXXVI
Mit einem heimlichen Stoßseufzer versuchte ich, mich in den weichen Kissen aufzurichten, aber sie zogen mich mit peinlicher Sogwirkung immer tiefer hinab. Wenn Claudia Sacrata einem Mann empfahl, sich wie zu Hause zu fühlen, dann sollte der sich offenbar nicht ohne Hilfe eines Baukrans wieder aus ihrem Dunstkreis befreien können.
Ich war hier an eine Frau geraten, die alle Welt kannte. In diesem Haus fielen große Namen wie Wassertropfen aus einem Springbrunnen. Klatsch war die Verkehrssprache. Ich saß im Herzen eines Spinnennetzes, das die Spitzen der Gesellschaft einhüllte und an jedem beliebigen Punkt Europas verankert sein mochte.
»Sie haben Lupercus gekannt?« krächzte ich heiser. Ich hasse zwar Wiederholungen, aber diesmal konnte ich mich zu keinen rhetorischen Kunststücken mehr aufraffen.
»Sooo ein netter Mann! Ganz
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