Eisige Versuchung
so viel obendrauf verdient, wenn man nur genug Partner ins Boot holt. So einfach ist das. Ein Kinderspiel!« Corkey setzte schon an, um zu protestieren, deshalb fügte Roque verschwörerisch hinzu: »Man wird dort nur zugelassen, wenn man von einem Teilnehmer empfohlen wird.«
»Wir kennen doch kaum jemanden.« Während Corkey laut nachdachte, zupfte er an der faltigen Haut an seinem Hals. »In Corpus Christi haben wir Tag und Nacht gearbeitet, und in der neuen Gemeinde finden wir bisher keinen Anschluss.«
»Treten Sie dem Chor bei! Kirchen gibt es überall.« Roque klatschte in seine Hände, als wäre das die tollste Idee seines Lebens. Dann fügte er noch schmeichelnd an: »Sie sind doch liebenswerte und offene Menschen. Man muss Sie einfach mögen. Sprechen Sie den Tankwart an!«, schlug er vor, was im ersten Moment dumm klang, aber, wie er wusste, gab es in der Gegend nur eine einzige Tankstelle, daher mussten die Cusacks den Mann öfter treffen als ihre Nachbarn, die so weit entfernt wohnten, dass man ein Auto brauchte, um sie zu besuchen. »Oder die Kassiererin im Supermarkt.« Alte Menschen hatten die Angewohnheit, immer zu denselben Ansprechpartnern zu gehen, und da Aloras Miene immer zugänglicher wurde, ahnte er, dass er richtiglag. Mit Engelszungen redete er auf sie ein: »Hören Sie sich um, ob sich in der Nähe Frauen zur Handarbeit – oder was immer Sie gern machen – treffen. Rufen Sie Ihren ehemaligen Tabaklieferanten an und all die anderen, mit denen Sie all die Jahre zusammengearbeitet haben. Sie sind doch auf Zack! Sie schaffen das! Ich glaube an Sie.«
»Unser Geld ist aber aufgebraucht. Das gesamte Vermögen haben wir in diese Bruchbude gesteckt.« Murrend verschränkte Corkey seine Arme vor dem Oberkörper.
Es fiel Roque schwer, seinen Vorschlag auszusprechen. Wenn er jedoch seinen Einsatz bei dem Kreis zurückhaben wollte, musste auch er jemanden überreden, bei dem Pyramidensystem mitzumachen. Am Ende stand man sich selbst immer am nächsten. »Nehmen Sie eine Hypothek auf Ihr Anwesen auf.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre dieser Schritt nicht nur logisch, sondern keine große Sache.
Corkey schnappte nach Luft, doch Alora berührte seine Schulter und sah ihn mit diesem Blick an, den Roque als hoffnungsvoll bezeichnete. Er erkannte, wenn jemand sich zu etwas entschieden hatte. Egal, wie sehr derjenige versuchte, es zu verbergen, er strahlte dennoch.
Siegessicher rieb er seine Handflächen aneinander. »Die Bank wird Ihnen nicht viel auf Ihr Haus zahlen, aber Ihr Grundstück ist groß.«
»Würde die Summe denn reichen?«, fragte Alora zaghaft.
Roque setzte diesem Geniestreich die Krone auf. »Wenn ich beim Kreis ein gutes Wort für Sie einlege … dann ja.«
Dankbar lächelte sie. »Das würden Sie für uns tun, Mr. Rodriguez?«
»Selbstverständlich, aber nur für Sie.« Er lächelte gönnerhaft.
Sie verabredeten sich für die nächste Woche. Bis dahin würden die Cusacks den Kredit auf ihr Anwesen bei ihrer Bank beantragen.
Nachdem das ältere Paar sein Büro verlassen hatte, atmete Roque auf. Zum Glück hatten sie nicht durchschaut, dass es sich bei dem Herzkreis um ein Schneeballsystem handelte! Er bezweifelte, dass sie ihre Bekannten überreden konnten mitzumachen, aber das war nicht mehr seine Angelegenheit, denn er musste um sein eigenes Überleben kämpfen. Und er entwickelte immer spitzere Ellbogen, genauso wie sein Vater, der vom Arbeiter in die obere Mittelklasse aufgestiegen war, indem er den Personen über ihm geschmeichelt und diejenigen unter ihm ausgenutzt hatte.
Es tat Roque leid um Alora und Corkey, schließlich war sein Herz nicht aus Eis. Aber wo es Gewinner gab, gab es eben auch Verlierer. Und er war bereit, alles dafür zu tun, um nicht mehr zur ersten Kategorie zu gehören und als geprügelter Hund das Spielfeld zu verlassen. Denn das tat weh, verdammt weh.
Achtes Kapitel
Zombie-Rock
Schlaftrunken wischte Shade sich über ihr Gesicht. Hatte etwas ihre Wange gestreift, ein Insekt vielleicht, oder hatte sie das nur geträumt? Sie musste sich getäuscht haben.
Aber kurz darauf spürte sie es erneut. Ein Luftzug, das könnte es gewesen sein, eine sanfte Brise, die ihr Kinn gestreichelt hatte. Sie lächelte, zu mehr war sie nicht fähig. Müdigkeit lähmte ihre Glieder. Doch etwas – oder jemand? – ließ sie nicht in Ruhe.
Fünf Minuten noch , wollte sie sagen, ihre Lippen gehorchten ihr jedoch nicht. Obwohl sie sich danach sehnte, wieder
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