Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
hellblaue Windjacke und auf dem Kopf eine Baseballmütze. Früher hatte er nie Baseballmützen getragen. Er ging ein paar Schritte die Einfahrt hinunter, legte den Kopf in den Nacken, um die frische Abendluft einzuatmen. Er blieb stehen, die Hände in den Hosentaschen, wartete einen Moment, dann trat er auf den Rasen, um irgendetwas zu betrachten.
    Wie ein ganz normaler Mann, dachte Melanie. Als würde er sich durch nichts von den anderen unterscheiden.
    Sie legte ihre Hand auf die Autotür und holte tief Luft. Sie würde ihm ihre Meinung ins Gesicht sagen, darauf konnte er Gift nehmen. Dann hielt sie inne.
    Eine Frau trat aus der Seitentür des Hauses und ging zu Melanies ehemaligem Stiefvater hinüber. Sie war hübsch, vielleicht vierzig, mit dunklen Locken, die ihr bis zu den Schultern reichten. Die Jeansjacke und die Khakihose standen ihr gut. Sie hatte eine ausgesprochen gute Figur. Sie sieht besser aus als Mom, dachte Melanie, und der Gedanke machte sie zugleich wütend und traurig.
    Ich werde seiner Frau alles erzählen. Selbst wenn er es leugnet, selbst wenn er mich für verrückt erklärt, wird sie wissen, dass es stimmt. Ihr hübsches Gesicht wird sich vor Entsetzen verzerren. Das fröhliche Leuchten in ihren Augen wird verschwinden, und sie wird Misstrauen, Wut und Abscheu empfinden.
    Melanie öffnete die Autotür. Weit und breit waren weder andere Autos noch Fußgänger zu sehen. Das glückliche Paar stand jetzt wieder zum Haus gewandt, es sah aus, als würden die beiden auf irgendetwas warten. Macht euch auf was gefasst, ihr zwei. Jetzt kommt etwas, womit ihr nicht im Traum rechnet. Melanie war nur noch knapp zwanzig Meter von ihnen entfernt und überquerte gerade die Straße. Sie holte noch einmal tief Luft, um sich zu beruhigen. Sie wollte nicht wie eine Verrückte erscheinen; es war wichtig, dass sie vernünftig klang, dass diese Frau ihr glaubte. Sie bewegte sich forsch und zielbewusst, wie eine junge Geschäftsfrau auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung.
    Dann ging die Seitentür des Hauses noch einmal auf, und ein kleines Mädchen kam heraus, einen Gummiball und einen Holzschläger unter dem Arm.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte die Kleine.
    »Wir machen nur einen kleinen Spaziergang. Es ist so ein schöner Abend«, sagte die Frau. »Aber in der Dunkelheit kannst du den Ball nicht sehen.«
    »Doch, kann ich.«
    »Also gut, Liebes, aber du hast vergessen, die Tür zuzumachen.«
    Die Kleine drehte sich zum Haus um.
    »Na geh schon und mach sie zu.«
    Zögernd ging das Mädchen zurück zum Haus.
    »Ich mach’s«, sagte der Dreckskerl und ging auf das Mädchen zu.
    Melanie zuckte zusammen, als hinter ihr ein Auto laut hupte. Als sie herumfuhr, hielt der Wagen knapp einen Meter vor ihr.
    »Entschuldigung«, brachte sie mit Mühe heraus. Sie lief zu ihrem Wagen zurück. »Entschuldigung …«
    Der Mann fuhr kopfschüttelnd weiter.
    Zitternd stieg Melanie in den Wagen ihrer Mutter. Sie bekam den Zündschlüssel nicht ins Schloss. Die drei Mitglieder der erbärmlichen Familie starrten alle zu ihr herüber. Endlich gelang es ihr, den Motor anzulassen. Mit abgewandtem Gesicht, so als würde sie am Autoradio herumfummeln, fuhr sie an ihnen vorbei.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie verpasste prompt die Straße nach Algonquin. Zitternd fuhr sie auf den Parkplatz von Mac’s Milk, wo sie eine ganze Weile bei laufendem Motor im Auto sitzen blieb und versuchte, sich zu beruhigen. Der Dreckskerl hatte eine neue Tochter, vielleicht sieben Jahre alt. Der Dreckskerl hatte ein neues kleines Mädchen.

29
     
    K elly legte die Fotos zurück in die Schublade und machte sie zu.
    »Ich glaube, das waren die letzten«, sagte sie, »zumindest hier. Wahrscheinlich hat sie noch jede Menge im College. Und auch Negative.«
    »Ja, allerdings«, sagte Cardinal. »Sie hat ein paar Aktenschränke im College.«
    Er hatte die ganze Zeit in einer Ecke der Dunkelkammer auf einer Truhe gesessen und Kelly beim Kramen zugesehen, obwohl sie ihn gebeten hatte, wegzugehen und sich so lange mit etwas anderem zu beschäftigen. Aber er hatte einfach das Bedürfnis, in der Nähe seiner Tochter zu sein, vor allem, wenn sie etwas für ihre Mutter tat.
    »Du solltest dich mal mit dem College in Verbindung setzen«, schlug sie vor. »Vielleicht gibt es da jemanden, der weiß, woran sie in letzter Zeit gearbeitet hat. Ihre Kollegen können ihre Arbeiten bestimmt besser beurteilen als ich.«
    »Auf keinen Fall. Du bist Künstlerin, du bist

Weitere Kostenlose Bücher