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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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haben und griff in die hinteste Reihe des Regals nach einem, das anscheinend schon seit langer Zeit dort stand. Ein zehnjähriger Junge blickte zu ihm auf, ernst und ohne Lächeln. Robbie war offenbar unglücklich, weil er hier ohne ihn leben musste. Das konnte er an den Augen seines Jungen erkennen. Der Staub, der noch dicker auf dem Bilderrahmen lag als auf dem Regal, verriet ihm zweierlei. Erstens: Mary Grace hatte sich zu einer lausigen Hausfrau zurückentwickelt. Zweitens: Offenbar hatte sie dieses Foto lange nicht mehr angefasst und würde es deshalb nicht vermissen. Er schob es so vorsichtig in seine Tasche, als wäre es aus purem Gold.
    Vorsichtig drang er weiter in ihre Wohnung vor und öffnete eine Tür. Das Bad. Shampooflaschen standen auf dem Wannenrand herum. Ein Saustall. Misstrauisch betrachtete er den Rasierapparat über dem Waschbecken. Robbie rasierte sich bereits. Wer hatte ihm das beigebracht? Der große Typ mit dem lahmen Bein? Einer von Mary Graces anderen Männern? Wieder spürte er Zorn in sich aufsteigen. Er hatte so viele von den kleinen Dingen versäumt, während es einem Fremden, irgendeinem Macker seiner verhurten Frau, vergönnt war, seinen Sohn heranwachsen zu sehen.
    Er schloss die Badezimmertür und öffnete die Tür zu Robbies Zimmer. Schlichte Decken lagen auf dem Doppelbett, Poster von Michael Jordan bedeckten die Wände. In einer Ecke stand ein Computer, Schulbücher stapelten sich auf dem Schreibtisch. Winters öffnete den Schrank und betrachtete den einzigen dunklen Anzug und die glänzenden schwarzen Schuhe. Große Schuhe. Sein Junge war beinahe erwachsen.
    Ein Foto steckte in der oberen Ecke eines alten Spiegels. Ein alter Mann hielt Robbie auf dem Schoß, Robbie hielt einen Luftballon und lächelte breit mit fehlenden Schneidezähnen. Das Foto stammte offenbar aus der Zeit, kurz nachdem Mary Grace ihm den Jungen gestohlen hatte. Er riss das Bild vom Spiegel, drehte es um und las die Worte, die Mary Grace auf die Rückseite geschrieben hatte.
Eli und Tom im Zirkus
. Winters knirschte mit den Zähnen. Ein Fremder war mit seinem Jungen in den Zirkus gegangen, während er selbst nie die Gelegenheit dazu gehabt hatte.
    Sein Blick schweifte über eine Kommode, auf der noch mehr Pokale standen. Auf den Möbeln lag zentimeterdick Staub.
Mary Grace ist eine lausige Hausfrau
, dachte er wieder. Er musste dafür sorgen, dass sie … sich besserte. Er wollte sich gerade zur Tür umdrehen, als ihm ein silbernes Aufblitzen auf dem Bett ins Auge stach. Es war ein kleiner Pokal, der auf dem Kissen lag, wo er eindeutig nicht hingehörte. Winters hob ihn wütend hoch und stellte ihn zurück auf seinen Platz auf der Kommode.
    Der Junge hatte inzwischen ein paar schlechte Angewohnheiten. Wenn sie wieder zusammen waren, würde es eine Menge für ihn zu tun geben.
    Winters schloss die Tür zu Robbies Zimmer genauso sorgfältig wie die Badezimmertür. Sie sollten nicht wissen, dass er hier gewesen war.
    Aber bald würden sie es erfahren. Bald.
    Winters schob die Tür zu Mary Graces Schlafzimmer auf und blieb wie angewurzelt stehen.
    Das Herz hämmerte in seiner Brust, als hätte er einen Geist gesehen.
    Da war sie.
    Da stand schon wieder diese verdammte Skulptur, gleich neben ihrem Bett. Mit grimmig gefurchter Stirn ging er zum Nachttisch und hob die Keramik auf.
    Es war nicht die gleiche Skulptur, wie er bei näherem Hinsehen feststellte. Diesmal war es ein Mann. Aber trotzdem katholisch. Er drehte sie um. »St. Joseph« war auf ein kleines Messingplättchen am Sockel eingraviert. Es war zwar nicht derselbe katholische Heilige, aber seine Bedeutung für Mary Grace war dennoch dieselbe. Die Wut, die er in der Polizeiwerkstatt in Sevier County empfunden hatte, als ihm klar wurde, dass sie diese verdammte Heilige Rita mit ihren Sprüngen und Rissen zwei Jahre lang aufbewahrt hatte, bevor sie durchbrannte, meldete sich zurück. Sie kochte nicht mehr. Seine Wut war jetzt sehr kalt. Eiskalte Wut war besser, das wusste er genau. Sie schärfte seinen Verstand, half ihm dabei, seine Rache, die überaus süß sein würde, noch besser zu planen.
    Die Skulptur bedeutete Unabhängigkeit für Mary Grace. Sie versinnbildlichte ihre Flucht vor ihm. Sie bedeutete die Trennung von seinem Sohn. Winters hob die Keramik hoch und ließ sie von einer Hand in die andere fallen. Sie bestand aus dem gleichen Material wie jene andere. War bestimmt zerbrechlich.
    Er ließ die Skulptur zu Boden fallen, doch der Teppich

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