Eiskalt Wie Die Suende
an Mr. und Mrs. August Hewitt, Tremont Street Nr. 148, Boston, Massachusetts schreiben und ihnen ganz ausführlich erzählen, dass Miss Nell Sweeney und ich seit zwölf Jahren verheiratet sind und dass du mal die beste Taschendiebin auf Cape Cod warst, wenn nicht sogar die beste in ganz Massachusetts, und dass duâs heimlich mit dem guten Dr. Willie Hewitt treibst, und das auch schon wer weià wie lang.â
Nell bäumte sich auf und schaffte es, sich so weit aus seinem Griff zu befreien, dass sie ihre Zähne in seine Hand schlagen konnte, tief und kräftig.
Duncan zuckte zurück und fluchte lästerlich. âDu kleines â¦â
âWache!â, schrie sie, während sie mit der Faust so heftig auf Duncans Nase einhieb, dass sein Blut auf sie beide spritzte.
Er jaulte vor Schmerz, hielt sich mit beiden Händen die Nase umfasst, als auch schon die Tür aufflog. Die beiden Wachmänner, die eben noch unter dem Baum im Hof geraucht hatten, stürzten sich auf ihn und zerrten ihn von ihr fort, derweil er wütend um sich trat und schlug, Blut und Speichel spie.
âDas werdâ ich tun!â, schrie er mit nasaler Stimme, als man ihn sich sträubend aus dem Zimmer und den Gang hinunter schleifte. âGlaub bloà nicht, dass ichâs nicht tu, du undankbares kleines Miststück! Wenn du versuchst, dich von mir scheiden zu lassen, werdâ ich ihnen alles sagen! Aber wirklich alles, hörst du? Du wirst ruiniert sein! Hast du mich verstanden? Ruiniert!â
Zuhause angekommen, bat Nell den Fahrer, sie an der Bedford Street herauszulassen, durchquerte eine schmale Gasse, den Hof eines Nachbarhauses und den sonnigen Garten der Hewitts, um zur Hintertür zu gelangen. Als sie ihre Schritte auf dem Marmorboden widerhallen hörte, wurde sie sogleich wieder von der allumfassenden Leere des groÃen Hauses überwältigt. Da die Fenster von schweren Vorhängen verhüllt waren und kein Licht brannte, war es selbst an einem sonnigen Nachmittag wie diesem so dunkel wie in tiefer Nacht.
Als sie am Musikzimmer vorbeilief, vernahm sie ein leises Knarren, als würde jemand sich von dem hundert Jahre alten Duettstuhl erheben, der neben dem Flügel stand.
âWill?â Nell drehte sich um und sah eine schemenhafte Gestalt sich auf sie stürzen. Entsetzt wollte sie aufschreien.
Doch schon spürte sie, wie eine Hand sich fest auf ihren Mund legte und ihr Kopf an eine breite, kräftige Schulter gepresst wurde.
âGanz ruhigâ, flüsterte er dicht an ihrem Ohr.
14. KAPITEL
âNicht schreien, Miss Sweeney, bitte. Ich bin es, Colin Cook.â
Detective Cook? Ja, es war seine Stimme, daran konnte kein Zweifel bestehen. Nell nickte und bebte am ganzen Leib vor Erleichterung.
SchlieÃlich nahm er seine Hand von ihrem Mund, hielt Nell aber noch einen Moment an beiden Armen fest, bis sie sich wieder etwas von ihrem Schrecken erholt hatte und sicher sein konnte, dass ihre Beine nicht unter ihr nachgaben.
âWas zum Teufel â¦?â, setzte sie ungehalten an.
Er trat vor sie, ein bulliges Ungetüm von einem Mann mit schwarzem Haar und einem wuchtigen Schädel. Seine Augen schienen ihr im dämmerigen Licht riesig. Sein Gesicht und die Hände waren ruÃgeschwärzt, und er trug die Kleider eines einfachen Arbeiters â eines Schornsteinfegers, um genau zu sein. Sowie sie sich etwas beruhigt hatte und ihre Umgebung wieder mit klarem Blick wahrnahm, bemerkte Nell auch den Kaminbesen, der zusammengerollt an der Wand lehnte und ihr vorhin gar nicht aufgefallen war.
âTut mir leid, dass ich Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt habeâ, sagte er mit seiner wohlvertrauten Stimme, deren irischer Einschlag nur schwach herauszuhören war, âaber niemand darf erfahren, dass ich hier bin. Wie Sie ja wissen, bin ich ein gesuchter Mann. Mrs. Cook meinte, Sie wären bei ihr gewesen, Sie und Dr. Hewitt, und dass Sie versuchen wollen herauszufinden â¦â
âJaâ, bestätigte ihm Nell und rieb sich ihre noch immer ganz zittrigen Arme. Sie zuckte zusammen, als sie ihren Ellenbogen berührte, der bei ihrem unsäglichen Sturz im Gefängnis am meisten abbekommen hatte. Der Ãrmel ihres grauen Seidenkleides war hinten entzweigerissen, der Stoff starr und steif von getrocknetem Blut. âWill und ich untersuchen den Fall. Gestern Abend waren wir im Nabbyâs Inferno und
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