Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
haben, nachdem sie die Siebzig überschritten hatten. Das bereitete ihm gute Laune.
Es gab nur zwei Nachrufe. Einen auf einen erfolgreichen Finanzmann, der im Alter von dreiundachtzig Jahren das Zeitliche gesegnet hatte; den las er nicht. Der andere Nachruf war ungewöhnlich kurz. Und ungewöhnlich interessant.
Johan Seger wurde nur dreißig Jahre alt. Als alles begann, war es auch schon zu Ende. Johan Seger war ein beliebter und fürsorglicher Mensch. Aber noch so vieles mehr. Er war bedeutend.
Trotz seiner jungen Jahre hatte er auf seinem verschlungenen Lebensweg ein Ziel vor Augen, ehe er uns allzu früh genommen wurde. Er erzählte oft von seiner glücklichen Kindheit in den Schären, während der sein großes Interesse an der Natur, am Segeln und am Angeln erwachte. Diese Leidenschaft begleitete ihn sein ganzes Leben, und er erzählte uns, seinen vielen Freunden, gerne davon, obwohl ihm immer weniger Freizeit blieb, da ihn seine wichtige Arbeit immer stärker in Anspruch nahm.
Johan Seger entschied sich bereits in jungen Jahren für einen eindeutigen Weg, von dem er weder bei Rücken- noch bei Gegenwind abkam. Und so werden ihn die meisten in Erinnerung behalten, als einen Mann mit Idealen, von denen er nie abwich. Er war immer ein Vorbild, und wir sind viele, denen seine feste Hand fehlen wird.
Erik, im Namen aller seiner Freunde im Ornithologen-Verein
Holtz las den Nachruf mehrmals. Dann schnitt er ihn aus und legte ihn in einer Mappe in seine Tasche.
Alle Stühle waren besetzt, und einige der aus anderen Dezernaten abgeordneten Ermittler standen an der Schmalseite des Raumes und unterhielten sich leise. Die Stimmung war spürbar entspannt. Hie und da wurde über einen besonders gelungenen Scherz gelacht. Ellen Brandt, die bislang noch nie alleine eine Mordermittlung geleitet hatte, hatte entschieden, einmal in der Woche alle, die irgendwie mit dem Fall befasst waren, zu versammeln. Erst als sie den bis zum Bersten gefüllten Raum betrat, in dem die Luft zu stehen schien, wurde ihr bewusst, um wie viele Personen es sich dabei handelte. Die allgemeine Unterhaltung verstummte nicht, obwohl sie sich ganz nach vorne neben eine weiße Tafel stellte, auf der die Ermittlung in groben Zügen aufgezeichnet worden war. Sie hatte keine Lust, die Gespräche zu unterbrechen. Die Analytiker, Ermittler, Kriminaltechniker, Rechercheure und Fahnder bildeten eine heterogene Gruppe, und sie verspürte plötzlich Stolz darauf, Teil dieser Schar engagierter Menschen zu sein.
»Können wir anfangen? Es gibt einiges zu tun.«
Die Stimme des versetzten Ermittlers, der aus irgendeinem Grund immer noch einen Wollpullover mit Rentieren trug, riss sie abrupt in die Wirklichkeit zurück.
»Hallo! Dürfte ich um Aufmerksamkeit bitten?« Sie hörte selbst, dass ihre Stimme nicht recht durchdrang.
»Jetzt seid doch endlich still!«
Die scharfe Stimme des Chefs der Ermittlungsabteilung beendete alle Gespräche. Stille breitete sich aus.
»Danke«, sagte sie und lächelte den Ermittlungschef an. Sie hatte soeben mühsam erkämpftes Gebiet verloren, das sie nun zurückerobern musste.
»In der Besprechung heute soll es vor allen Dingen um die Erkenntnisse der Spurensicherung und die forensischen Analysen gehen. Bitte schön, Ulf.«
Sie nickte, und Holtz räusperte sich, um etwas Zeit zu gewinnen. Sein Zahn schmerzte immer noch, und er stellte fest, dass die Aufmerksamkeit der Anwesenden bereits abnahm.
»Wie ihr alle wisst, starb Johan Seger an einem Pfeil, der in seinen Hals eindrang«, sagte er rasch, damit die Gedanken der Versammelten nicht abschweiften. »Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde dieser Pfeil mit einer Armbrust abgeschossen.«
»Ist das sicher?«, meldete sich eine Stimme ganz hinten im Raum.
»Darauf komme ich gleich zurück, ich will nur erst versuchen, ein paar Bilder zu zeigen.« Holtz öffnete das Notebook, das er auf dem Schoß hatte.
»Könnte mir jemand bitte das rote Kabel geben?«
Ein Analytiker, dessen Namen er vergessen hatte, reichte ihm ein Kabel, das durch ein Loch im Tisch verlief, und Holtz schloss es an, woraufhin ein Projektor an der Decke aufleuchtete und eine weiße Leinwand langsam von der Decke herabglitt.
»Das ist ein Luftbild des Tatortes. Hier ist die Lastwagenladefläche, auf der das Opfer stand, als es starb. Dies ist ein Fußballplatz, der, wie ihr sehen könnt, von Wald, ein paar Wegen und einem Viertel mit Einfamilienhäusern umgeben wird.«
Ein roter Pfeil huschte über
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