EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
„Kaum am Leben. Und dann deine Amnesie. Das war für mich die Gelegenheit, alles auszulöschen, in einem Menschen eine ganz neue Person zu erfinden mit Gefühlen und Erinnerungen, die dieser Mensch niemals hatte. Aus Anna, der Verzweifelten, wurde meine Katharina, ein zartes, zerbrechliches Wesen. Dazu habe ich dich gemacht. Ich habe sie so geliebt.“ Er lachte. „Max konnte nicht ahnen, dass ich einen Plan hatte. Ich wollte dich in Katharina umwandeln, die Frau, die mir am meisten am Herzen liegt.“ Kreiler setzte sich auf das Bett, nahm eine Haarlocke und wickelte sie um seinen Finger. „Angeblich ist so etwas nicht möglich, die völlige Unterdrückung der Erinnerung an die eigene Person. Du siehst also, du bist nicht diese Frau, diese Anna. Du bist noch nicht mal die, für die du dich hältst. Dein richtiger Name ist Katharina … meine nur allzu willige Katharina.“
„Du bist ja krank“, fauchte sie ihn an.
Kreiler grinste hämisch. „Ich bevorzuge das Wort diabolisch.“
„Nein, ich bin Anna, Anna Gavaldo, ich bin mit Max verheiratet, und wir haben eine Tochter, Katharina. Niemand kann ein Leben auslöschen und es durch ein anderes ersetzen. Das gibt es nicht!“
„Ich kann es“, zischte er.
„Nein!“
„Für Kummer steht das Wort Max, Jörg bedeutet Freude.“
„Was sagst du da?“
„Das Wort ist der Schlüssel“, sagte er mit einer Stimme, die kälter war als Eis. „Es ist der Schlüssel zu der Person, die du wirklich bist. Nun ist die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen von Anna. Wenn Katharina ein braves Mädchen ist und tut, was man ihr sagt …“
„Du bist verrückt“, schrie sie, „vollkommen verrückt!“
Er lachte laut auf und nahm eine Spritze aus dem Nachtschränkchen. „Für ein Mädchen steht die Zahl Sechs. Du wirst tun, was ich dir sage, Katharina. Ich habe dich erschaffen. Betrachte mich als deinen persönlichen Meister. Und ich befehle dir, Katharina zu werden. Ich denke, du bist sogar viel lieber Katharina als Anna. Habe ich recht?“
Sie wollte nicht wieder in Trance versetzt werden und entschloss sich, sein Spiel mitzuspielen.
„Anna lebt ein besseres Leben, Jörg“, sagte sie leise.
Er setzte die Nadel an. „Leb wohl, Anna, komm, Katharina. Und jetzt sträub dich nicht mehr.“
„Hör auf, dauernd Katharina zu mir zu sagen!“
Erneut spürte sie den Einstich einer Nadel.
***
Kreiler sah mit einem teuflischen Lächeln auf sie herab. Sie würde gleich mindestens sechs Stunden schlafen. In einer Stunde würde er sich mit dem Polen treffen, um seinen Abschlussbericht mit ihm durchzusprechen und um mit dem Berufskiller abzurechnen. Krasinski war sein letztes Opfer. Mit seinem Tod konnte er mit seiner Vergangenheit abschließen und mit Anna ein neues Leben beginnen.
Er berührte ihren Arm und fragte sich, warum ihr Atem unter seiner Berührung stockte.
Als sie versuchte, ihre Hände und Füße zu bewegen, verwandelte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht, und er sah, wie sich darin dumpfes Pochen und Seelenschmerz widerspiegelten. Sie flüsterte Max’ Namen und flehte ihn aus dem Dunkeln an, sie zu erlösen.
„Max“, zischte er, „immer wieder Max. Dich kann nur ein Mann erlösen, und das bin ich. Ich bin Jörg, ich bin Bobby, ich bin alles, was du brauchst. Deine Schwester hat das verstanden, deine Tochter hat es auch verstanden!“
Anna versuchte die Augen zu öffnen. „Meine … Katharina …“, flüsterte sie.
„Ja, deine kleine Katharina. Ich habe sie in den Zoo mitgenommen, ihr den getupften Teddy geschenkt. Und ich habe ihr suggeriert, dass Bobby in ihm steckt, den du liebst und der dich gesund macht, ich habe ihr suggeriert, dass ihr Vater nichts taugt, ich habe … Ach was!“ Angewidert erhob er sich und verließ das Schlafzimmer.
Kapitel 41
München – Polizeipräsidium
Hirschau war gerade mit Alexandra Cordes und Kirstin Breuer, einer Kollegin aus dem Dezernat für Jugendkriminalität, in ein Gespräch vertieft, als van Cleef und Neumann den Verhörraum im Polizeipräsidium betraten. Hirschau sagte zu ihm: „Komm rein, Benedikt, wir führen gerade eine heiße Diskussion über Recht und Unrecht.“
„Klingt interessant“, sagte van Cleef, während er Alexandra Cordes und Kirstin Breuer, eine junge Frau mit magentarot gefärbtem Haar, begrüßte. „Kirstin. Mein Gott, das ist lange her. Was machst du denn hier?“
Die burschikose Beamtin mit der kurzen, pinkfarbenen Punkerfrisur lächelte.
„Ich habe sie dazugebeten“,
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