Eiskalter Wahnsinn
was schon mal untergekommen?“
„Da gab es einen Fall in Kansas. Ich glaube 1998 oder 99, John Robinson.“
„Ich glaube, ich erinnere mich. Dieser verrückte Internetfreak, richtig?“
„Ja, richtig. Er lockte Frauen über das Internet auf seine Farm, tötete sie und stopfte die Leichen in Fünfundfünfzig-Gallonen-Fässer.“ Maggie achtete sorgfältig darauf, wohin sie trat. Das kniehohe Gras verdeckte die aus dem Boden ragenden Felsen. „Ich habe den Fall nicht bearbeitet, aber wenn ich mich recht entsinne, wurden die Fässer in einem Lagerschuppen entdeckt. Da bestand nicht die Gefahr, den Inhalt durcheinander zu bringen, so wie bei Ihnen hier. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Fässer da liegen? Und wie viele mit Leichen gefüllt sind?“
„Es könnten ein Dutzend sein, vielleicht mehr. Was nicht heißt, dass in allen Leichen stecken. Aber in einigen haben wir Leichen gesehen. Unheimlich, wirklich unheimlich.“ Er schob seinen Hut zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „In einem sieht es aus, als läge da nur ein Haufen Knochen, aber in dem anderen …“ Er schüttelte den Kopf und deutete auf das Fass, das er ihr als Erstes zeigen wollte. „Die Leiche in dem anderen Fass wirkt ziemlich gut erhalten, soweit wir das sehen können. Wie auch immer, wir haben es hier mit einem kranken Hurensohn von Täter zu tun.“
Er blieb stehen, und Maggie wartete. Sie waren etwa dreißig Meter vom Geschehen entfernt. Eine Gruppe hatte sich um ein Fass versammelt, das man von einem Felshaufen heruntergeholt hatte. Daneben arbeiteten die Leute von der Spurensicherung. Mit Latexhandschuhen geschützt, suchten sie auf gepolsterten Knien kriechend rasterartig die Felsoberfläche ab. Maggie war beeindruckt, wie sorgfältig der Sheriff den Fundort bearbeiten ließ. Gerade in Kleinstädten erlaubten Polizeikräfte viel zu oft, dass Zivilisten Tatorte betraten. Sie sahen nicht ein, welcher Schaden entstand, wenn ein Bürgermeister oder Ratsmitglied einen Blick auf den Tatort warf. Was sie für einen politisch klugen Schachzug hielten – schließlich wurden Sheriffs gewählt –, hatte oft genug zur Folge, dass Tatorte kontaminiert wurden, was die Beweismittel zweifelhaft machte.
Maggie merkte plötzlich, dass Watermeier zögerte, als wäge er ab, was er ihr erzählen sollte, ehe sie zu den anderen kamen.
„Ich habe über dreißig Jahre bei der New Yorker Polizei gearbeitet. Deshalb bin ich kein Neuling, was solche Tatorte anbelangt, okay?“ Er sah ihr in die Augen und wartete auf Bestätigung. Sie nickte kurz, und er fuhr fort: „Ich bin vor vier Jahren mit meiner Frau hierher gezogen. Sie ist Teilhaberin in einem netten kleinen Buchladen in Wallingford. Die Leute hier haben mich gewählt, weil sie jemanden mit echter Erfahrung suchten. Es gefällt uns hier … sehr sogar. Und wir möchten uns in einigen Jahren hier zur Ruhe setzen.“
Er hielt inne, um seine Männer zu beobachten, und sah sich um, als zähle er sie durch. Maggie verschränkte die Arme und verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. Sie wusste, dass er keinen Kommentar von ihr erwartete. Offenbar war er noch nicht fertig mit seinen Ausführungen. Deshalb wartete sie ab.
Schließlich sah er sie wieder an. In seinem Blick lag etwas, das sie erkannte: Entschlossenheit, Frustration, ein wenig Ärger, aber auch eine Spur Panik, die ihr verriet, dass Sheriff Watermeier wirklich Angst hatte.
„Das ist ein verdammter Scheiß“, sagte er und deutete auf das Fass, um das sich die Gruppe versammelt hatte. „Wer immer das getan hat, treibt sein Unwesen vielleicht schon seit Jahren. Ich mache Ihnen nichts vor, O’Dell. Auch wenn wir Ihre vermisste Person nicht finden, könnte ich Ihre Hilfe gebrauchen, um diesen gottverdammten Psychopathen aufzuspüren. Ich bin niemand, der wettet. Wäre ich es, würde ich einiges darauf setzen, dass sich unser Täter noch in der Gegend herumtreibt. Wenn ich ihn nicht finde und seinen Hintern einkassiere, kann ich meinen Traum von der Pensionierung in dieser Gemeinde vergessen.“
Watermeier wartete auf ihre Antwort. Doch diesmal wich er ihrem Blick aus und sah sich suchend und prüfend um. Offenbar war er bemüht, das enorme Vertrauen herunterzuspielen, das er ihr mit seinem Geständnis entgegengebracht hatte. Schließlich vertraute er sich einer Frau an, die er gerade erst kennen gelernt hatte und die sich unaufgefordert in seine Ermittlungsarbeit einmischte. Ob er das aus Verzweiflung tat oder
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