Eiskaltes Schweigen
»Die hätte ich erkannt.«
»Er könnte jemanden gebeten haben, für ihn anzurufen. Getötet hat er Frau Bialas vermutlich nicht mit Vorsatz, sondern im Affekt, im Streit. Sie hat sich ihm in den Weg gestellt, er hat die Nerven verloren â¦Â«
Und dann hatte er bemerkt, dass Anita Bialas nicht allein in der Wohnung war, und war Hals über Kopf geflohen? Nein. Das klang alles viel zu konstruiert. Andererseits, Verbrecher tun ja oft die verrücktesten Dinge, reagieren immer wieder irrational, widersinnig, selbst wenn alles läuft wie geplant.
Und Karenke?, nörgelte die Stimme in mir. Wie zur Hölle passte John Karenke in die immer verworrener statt klarer werdende Geschichte?
Balke hustete einige Male, dann ergriff er ein Papier. »Ich habe ein wenig rumtelefoniert, wegen diesem Bankmenschen.« Er räusperte sich noch einmal, aber es half nichts, er blieb heiser. »War nicht weiter schwierig, zum Glück gibtâs ja neidische Nachbarinnen. Das Penthouse hat eine knappe dreiviertel Million gekostet, der Lamborghini schätzungsweise hundertfünfzigtausend. Urlaub hat Fabricius in den letzten drei Jahren nur noch in der Südsee gemacht. Dazu alle paar Wochen eine neue Freundin, eine hübscher als die andere â¦Â« Balke lieà das Blatt sinken und sah mir mit matten Augen ins Gesicht. »Um es kurz zu machen: Unser Freund hat schätzungsweise zehnmal so viel Geld ausgegeben, wie er verdient haben kann.«
»Aber Karenke?«, fragte ich in die Runde. »Hat jemand irgendeine Idee, wie das alles zusammenpassen soll?«
Nein, niemand hatte eine Idee.
DrauÃen regnete es immer noch.
Gestern Abend hatten die Zwillinge sich dreimal zerstritten und zweimal wieder versöhnt. Mit den neuen, breiten Betten waren sie nicht glücklich. Sie fühlten sich einsam darin und gaben sich gegenseitig die Schuld daran.
Theresa fehlte mir, heute war Freitag, und wieder würde ich sie nicht sehen. Meine SMS beantwortete sie nicht, meinen Mails ging es nicht anders, und wie es um die Gesundheit ihres Mannes stand, wusste niemand in der ganzen verfluchten Polizeidirektion, deren oberster Chef er immerhin war.
Da es nichts weiter zu besprechen gab, erhoben sich meine Mitarbeiter und gingen an die Arbeit. Ich blieb allein zurück und fühlte mich elend.
Irgendwann fuhr ich mit dem Lift in den Keller, wo sich die Arrestzellen befanden. Ein uniformierter Kollege schloss mir auf.
»Gut geschlafen?«, fragte ich Armin Kettenbach.
»Wie ein Brett«, seufzte er und rieb sich das Gesicht. »Ãber zwölf Stunden. War wohl nötig.«
»Sie haben ganz schön Mist gebaut, gestern Abend.«
»Dafür haben Sie mich auch ganz schön verdroschen.«
»Ich lasse Sie jetzt laufen, wenn Sie mir versprechen, umgehend nach Genf zu fahren und lange nicht mehr nach Deutschland zu kommen.«
Er nickte nur und schien sich nicht einmal über die gute Nachricht zu freuen. Dann sah er auf. »Jetzt gleich? HeiÃt das, ich kann jetzt gehen?«
»Ja. Ich lasse Sie zu Ihrem Wagen bringen.«
»Danke.« Er schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen. »Danke schön. Ich â¦Â Entschuldigung. Ich bin noch ganz wirr im Kopf.«
»Und wenn ich Ihnen einen Rat mit auf den Weg geben darf: Lassen Sie das mit den Prostituierten. Es tut Ihnen nicht gut.«
Nachdenklich sah er zu Boden. »Ja«, sagte er schlieÃlich. »Ich werdâs versuchen.«
Der trübe Nachmittag zog sich hin. Der Regen wollte nicht enden. Theresa lieà nichts von sich hören. Ich blieb länger im Büro, denn die Woche über war wieder viel unerledigt liegen geblieben, und auÃerdem hatte ich keine Lust auf das Gezänk und Genörgel meiner Töchter. Um kurz nach sieben, mein Schreibtisch sah inzwischen schon recht ordentlich aus, summte mein Telefon. Sönnchen hatte die Leitung längst auf meinen Apparat umgestellt und war nach Hause gegangen. Am anderen Ende meldete sich eine erschöpfte Frauenstimme.
»LKA Stuttgart, DNA-Analytik, Annika Krüger. Schön, dass ich bei euch noch wen erreiche. Auf allen anderen Nummern auf meinem Zettel ist anscheinend schon Feierabend. Erst ist es ja immer furchtbar dringend, und wenn man dann mit den Ergebnissen kommt, dann ist keiner mehr da, der sich dafür interessiert.«
»Ich bin hier und interessiere mich brennend für Ihre Ergebnisse.«
»Lassen Sie den
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