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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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gerichtet, Joentaa lief hinter ihm her und sah, dass Grönholm und die junge Frau sich entsetzt umwandten. Die Frau fing den Jungen auf und drückte ihn fest an sich, bis er sich langsam beruhigte. Grönholm, der sonst so zielstrebig war, immer Herr der Lage, immer einen flapsigen Spruch auf den Lippen, stand unschlüssig und hilflos neben den beiden. Joentaa hörte, dass er einen der uniformierten Polizisten nach Laukkanen fragte, aber der Gerichtsmediziner war bereits gegangen.
    Joentaa löste sich aus seiner Erstarrung und fragte den Herbergsvater, ob es ein Einzelzimmer gebe. »Der Junge muss zur Ruhe kommen«, sagte er, als der Mann ihn verständnislos anstarrte.
    »Natürlich. Kommen Sie.« Er führte Joentaa, die junge Frau und Sven in ein unbelegtes Zweibettzimmer im Dachgeschoss der Herberge und erklärte, es sei der ruhigste Raum im Haus.
    Joentaa bedankte sich. Er holte Svens Tasche aus dem großen Schlafraum, in dem sein Vater ermordet worden war. Der Raum lag noch immer in Neonlicht. Niemi tastete das weiße Laken ab, auf dem der Tote gelegen hatte.
    »Er wurde gerade weggebracht«, sagte er, als er Joentaas fragenden Blick auffing. »Wir haben bisher leider wenig gefunden.«
    Joentaa nickte und fand nach kurzem Suchen Svens Reisetasche. Als er in das kleine Zimmer im Dachgeschoss zurückkehrte, war Sven eingeschlafen. Die junge Frau saß an seinem Bett, hielt seine Hand und sah auf ihn hinab.
    Joentaa blieb im Türrahmen stehen und dachte, dass er Sanna in der Nacht ihres Todes so gesehen hatte wie die Frau den Jungen.
    Er trat vorsichtig näher.
    »Es ist gut, dass er schläft«, sagte er. Die Frau nickte, ohne den Blick vom Gesicht des Jungen abzuwenden.
    Joentaa zog einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. Er betrachtete die Konturen ihres Gesichtes, das im Dunkel lag.
    »Wie heißen Sie?«, fragte er nach einer Weile.
    »Annette Söderström.«
    Joentaa nickte und kämpfte gegen den Drang an, ihr von Sanna zu erzählen.
    »Wie lange haben Sie Johann Berg gekannt?«, fragte er.
    »Sehr lange. Wir sind gemeinsam zur Schule gegangen.«
    Sie schwieg. »Ich begreife nicht, dass er tot ist«, sagte sie nach einer Weile.
    Er hob den Blick, weil er spürte, dass ihre Augen ihn direkt fixierten. Sie wartet darauf, dass ich alles ungeschehen mache, dachte er.
    Er wich dem Blick aus.
    Er dachte an Sanna und fragte sich, warum er Annette Söderström von ihr erzählen wollte. Er hatte den Satz auf den Lippen: Meine Frau ist gestorben. Aber er sprach ihn nicht aus.
    »Johann Berg und Sie … waren Freunde«, sagte er stattdessen.
    Annette Söderström wandte sich wieder in seine Richtung. Joentaa war überrascht, dass sie lächelte, vermutlich über seine unbeholfene Formulierung.
    »Wir waren sehr gut befreundet«, sagte sie.
    »Wo ist Svens Mutter?«
    »In Stockholm. Eigentlich lebt Sven bei ihr. Johann hat ihn häufig besucht und auf Urlaubsreisen mitgenommen.«
    Joentaa nickte und spürte eine vage Erleichterung bei dem Gedanken, dass Sven nicht ins Bodenlose fallen würde.
    Er ging, ohne Annette Söderström von Sanna zu erzählen.
    Auf der Treppe kam ihm ein Pulk von Jugendlichen entgegen. Einige lachten aufgedreht. Im Frühstücksraum waren nur noch Ketola und der Herbergsleiter, der schlaff in einem Stuhl hing und sichtlich darauf hoffte, endlich schlafen gehen zu können.
    Ketola sprach in sein Handy. Er stand aufrecht, als nehme er Befehle entgegen. Joentaa vermutete, dass er mit Nurmela sprach.
    »Schluss für heute«, sagte Ketola, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
    »Haben wir schon irgendwas?«, fragte Joentaa.
    Ketola schüttelte den Kopf. Er war offensichtlich zu müde, um sich noch darüber zu ärgern. »Eigentlich gar nichts«, sagte er. »Heinonen und Grönholm werden morgen hier weitermachen. Sie könnten morgen früh erst mal beim Handwerksmuseum vorbeifahren und mit den Angestellten reden. Vielleicht ist denen etwas an der Reisegruppe aufgefallen.« Seine Stimme verriet, dass er nicht daran glaubte. »Nurmela hat für zwölf Uhr eine Konferenz angesetzt. Sie sollten ihm dann genaue Angaben über die Sache in Naantali machen können.«
    Joentaa nickte.
    »Wie geht es dem Jungen?«, fragte Ketola.
    »Er schläft.«
    »Gut. Er wird morgen zurück nach Stockholm reisen. Seine Mutter ist bereits informiert. Die anderen müssen natürlich noch bleiben. Wir sehen uns morgen.« Er warf seinen Mantel über die Schulter und ging. Der Herbergsvater sprang auf und begleitete Ketola nach

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