Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Fotos. Alle zeigten eine junge Frau, die auf den meisten Bildern lachte, mit leicht geöffnetem Mund. Neben den Fotos standen zwei Weingläser, ausgebrannte Kerzen in hohen Kerzenständern und eine zur Hälfte geleerte Flasche.
»Hallo Kimmo.«
Joentaa wandte sich um und sah in das immer lachende Gesicht von Kari Niemi.
»Hallo Kari«, sagte Joentaa.
»Offensichtlich hast du recht gehabt«, sagte Niemi.
Joentaa sah ihn fragend an.
»Du hast doch von Anfang an vermutet, dass es nur ein Täter ist.«
Joentaa nickte.
»Ich fange im Schlafzimmer an«, sagte Niemi und verschwand im Flur.
Joentaa stellte sich vor, wie er das Schlafzimmer betrat, wie er anfing, alles geduldig zu betrachten, wie er begann, aus kleinsten Gegenständen ein Gesamtbild zu zeichnen, in dem die tote Frau nur eines von vielen Details war. Joentaa mochte Niemi, aber woher diese unantastbar gute Laune kam, blieb ihm ein Rätsel. Vielleicht wirkte es nur so. Vielleicht war Niemi viel nachdenklicher, als es auf den ersten Blick schien.
Joentaa erinnerte sich, wie Niemi ihn nach Sannas Tod umarmt hatte. Er war zur Beerdigung gekommen, obwohl sie sich kaum kannten, und Sanna hatte er nur ein einziges Mal gesehen, bei der Weihnachtsfeier des Präsidiums vor einem Jahr. Sanna war schon damals sehr krank gewesen, aber sie hatte so getan, als sei alles in Ordnung. Sie war sehr überzeugend gewesen.
Grönholm hatte ihn später gefragt, ob sie schon wieder ganz gesund sei.
»Wollen Sie die Aussicht genießen oder vielleicht doch noch mal die tote Frau ansehen?«, fragte Ketola.
Joentaa folgte ihm ins Schlafzimmer. Während er lief, kehrte die Anspannung zurück, die merkwürdige Nervosität, die er gespürt hatte, als Heinonen sie über den Mord informiert hatte.
Er hatte keine Erklärung für diese Anspannung. Er spürte, dass er darüber nachdenken musste, bald.
Das Schlafzimmer war sehr klein. Das Bett füllte den Raum fast ganz aus, es war ein flaches Bettsofa, auf dem eine junge Frau lag. Sie war nackt, und ihre Augen waren noch geöffnet.
Joentaa dachte, dass hinter diesen Augen nichts mehr war.
Er wandte sich ab und sah auf dem Nachttisch das Foto eines jungen Mannes, vermutlich ihres Freundes. Ein Foto des Jungen hatte auch im Wohnzimmer gehangen.
Niemi kniete auf dem Boden und tastete den Teppich ab.
»Wie es scheint, haben Sie recht gehabt, Kimmo«, sagte Ketola, plötzlich ruhig und sachlich. »Ein Serientäter.«
Joentaa sah ihn an.
»Wieso waren Sie sich eigentlich von Anfang an so sicher?«, fragte Ketola.
Joentaa wusste nicht, wie er die Frage beantworten sollte. Die Antwort würde in jedem Fall merkwürdig klingen. »Laura Ojaranta wurde am Tag nach dem Tod meiner Frau ermordet«, sagte er nach einer Weile.
Ketola nickte und fixierte ihn aufmerksam.
»Ich glaube, dass es irgendwie damit zusammenhängt«, sagte Joentaa. »Ich hatte … vielleicht einen anderen Zugang zu dem Szenario, das wir damals vorgefunden haben.«
»Ich sehe den Zusammenhang nicht«, sagte Ketola.
Joentaa zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich habe vor einiger Zeit mit Grönholm darüber geredet. Er hat auch nicht verstanden, was ich meinte. Ich denke, dass die Art, wie der Täter tötet, bedeutsam ist … er tötet vermutlich im Stillen. Seine Opfer schlafen … ich stelle ihn mir als stillen, zurückhaltenden Menschen vor …«
Joentaa brach ab und suchte in Ketolas Augen nach Anzeichen von Spott, er wartete auf eine flapsige Bemerkung, aber es kam nichts. Ketola nickte nur, schien nicht überzeugt, machte sich aber auch nicht lustig.
»Hört sich interessant an«, meinte Niemi, ohne den Blick vom Teppich zu heben.
Ketola nickte gedankenverloren, dann beugte er sich über die Tote und verharrte lange über ihrem Gesicht, als suche er etwas Bestimmtes. Joentaa begriff nicht, warum sich Ketola so unvermittelt beruhigt hatte. Keine Spur mehr von den cholerischen Ausbrüchen. Aber er begriff Ketola ohnehin nicht.
Er wandte sich ab und ging nach unten, um mit der Frau zu sprechen, die die Tote gefunden hatte. Sie saß an einem Tisch am Fenster und starrte hinaus auf den Regen. Sonst war niemand da. Der Mann, der bei ihrer Ankunft ungerührt Zeitung gelesen hatte, war bereits gegangen.
»Mein Name ist Joentaa«, sagte er. »Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen.«
»Bitte«, sagte sie. Er setzte sich ihr gegenüber.
»Sind Sie die Inhaberin des Cafés?«
Sie nickte. »Krista Somervuori. Das Café gehört mir und meinem Mann.«
»Wo
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