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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Hälften spaltete.
    Sie legte sich gerade schlafen, als das Telefon klingelte. Ihr Herz klopfte so heftig, als hätte sie sich gerade auf dem Laufband verausgabt. Sie griff vom Bett aus nach dem Hörer und stieß ihn auf den Boden. Sie musste unter den Schreibtisch kriechen, um ihn zu finden, und ihr Knie schickte einen stechenden Schmerz durch ihren ganzen Körper.
    »Hallo?« Ihre Stimme klang ängstlich und verzagt. »Hallo?«
    Es bestand eine Verbindung, das Rauschen in der Leitung ließ keinen Zweifel daran.
    »Hallo?«
    Noch ein paar Sekunden Stille, dann ein Klicken, als der Anrufer die Verbindung trennte.
    Die Stimme ihrer Mutter aus dem Flur. »Wer ist das, Sam? Wer ruft denn um diese Zeit noch an?«
    »Niemand, hat sich verwählt.«
    »Gott sei Dank. Für einen Moment hab ich gedacht, dein Vater hätte einen Unfall gehabt oder so.«
    Sam lag im Dunkeln und drückte sich Mull aufs Knie. Du zitterst, sagte sie. Du zitterst tatsächlich. Auf der Fensterbank hob sich die Silhouette ihrer Katze mit wachsam gespitzten Ohren von der Jalousie dahinter ab.

[home]
    12
    N ord-Ontario ist, wie das Fremdenverkehrsamt immer wieder gerne betont, eine Seenlandschaft. Algonquin Bay selbst liegt zwischen dem Lake Nipissing – nach den Großen Seen eines der größten Gewässer in Ontario – und dem Trout Lake, der klein und unendlich tief ist. Doch in einem Radius von hundert Meilen gibt es noch einige Seen, die oft durch kleine und große Flüsse miteinander verbunden sind, den traditionellen Reiserouten der Nipissing First Nation und anderer Stämme. Einige sind äußerst abgelegen, so dass sich außer Wild und allenfalls einem Jäger niemand dorthin verirrt. Die meisten liegen innerhalb von Naturschutzgebieten, die der Provinzverwaltung unterstellt sind. Ein paar der kleineren befinden sich sogar in Privatbesitz.
    Dazu zählt der gar nicht mal so kleine Black Lake, der, wenn auch beschwerlich, über einen ehemaligen Holzfällerweg zugänglich ist. Der Black Lake gehörte einem über siebzigjährigen Mann namens Lloyd Kreeger. Er hatte im Pelzhandel eine Menge Geld verdient und sich den Wunsch erfüllt, einen überaus behaglichen Alterssitz zu bauen, um dort zu angeln, zu lesen und über iPhone und das Internet ein wachsames Auge auf seine Investitionen zu haben.
    Kreeger war ein Mann, der die Einsamkeit liebte. Im Lauf der Jahre hatte er ein, zwei Ehen hinter sich gebracht. Die eine Frau hatte sich von ihm scheiden lassen, weil er sie nicht genügend beachtete, und die andere, zu der er eine viel größere Zuneigung entwickelt hatte, war gestorben. Er hatte nie das Bedürfnis verspürt, eine dritte Beziehung einzugehen.
    Doch wie sich zeigte, hatte Kreeger seine Eignung zum Alleinsein über- und seine Bindung ans Geschäft unterschätzt. Das erste Problem löste er, indem er einen Vollzeitmitarbeiter einstellte, einen versierten Alleskönner namens Henry, der ihm dabei half, das Anwesen in Schuss zu halten, und das zweite, indem er seinen Grundbesitz am Black Lake in ein exklusives Jagdrevier zu verwandeln gedachte. Größtenteils stand das Projekt noch auf dem Papier – mit dem Bau sollte erst im Frühling begonnen werden –, doch es tat gut, wieder Pläne für die Zukunft zu schmieden, egal, wie wenig Zeit ihm dafür noch vergönnt war.
    Jedenfalls hatte er nicht die geringste Lust, über sein Leben ausschließlich in der Vergangenheitsform nachzudenken, und ein paar Monate in den Wäldern hatten ihm klargemacht, dass er auch nicht zu den Menschen gehörte, die ganz in der Gegenwart leben konnten.
    Kurz nach den Morden am Trout Lake kam Lloyd eines Abends im karierten Morgenmantel aus dem Bad. Seine Haut war von der heißen Dusche rosig, sein weißes Haar nass und glatt zurückgekämmt. Er ging die Treppe zum Wohnzimmer hinunter. Er stützte sich nicht aufs Geländer, sondern glitt mit seiner Hand darauf entlang.
    Das Erdgeschoss war ein einziger offener Wohnbereich, und so konnte er sehen, wie Henry in der Küche den Tisch fürs Frühstück deckte. Lloyd machte es sich in seinem Lieblingsclubsessel bequem und legte die Füße auf den Polsterhocker. An seinem linken Hausschuh lugte aus einem Loch, das sich im Lauf des letzten Jahres gebildet hatte, seine große Zehe hervor. Er hörte, wie die Müslipackung sowie die Schale und der Löffel auf den Tisch gestellt wurden.
    »Brauchen Sie heute Abend noch etwas?«
    »Nein danke, Henry. Gehen Sie nur schlafen oder was Sie sonst in Ihrer Baracke treiben.«
    »In

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