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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Hoot für jede der Vermissten angelegt hatte. Nachdem Begley sich wieder gesetzt hatte, stapelte er die Ordner auf seinem Schoß. Hoot fühlte sich erheblich wohler, als er wieder angeschnallt war.
    »Als ich gestern Nacht diese Ordner gewälzt habe, hatte ich ständig das Gefühl, jedes Mal die gleiche Geschichte zu lesen«, sagte Begley. »Jetzt ist mir auch klar, warum.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Sir.« Hoot lenkte die Limousine vorsichtig um eine Kurve. Weil er Hamer in sicherem Abstand gefolgt war, schaffte er es, beim Bremsen den Wagen ausrollen zu lassen und zum Stehen zu bringen, kurz bevor er in Hamers Heck rammte. Direkt vor Hamers Wagen mühte sich der Streulaster ab, die Reifen auf der Steigung gleich hinter der Kurve greifen zu lassen.
    Begley klatschte mit der flachen Hand auf den obersten Ordner. Der unerwartete Krach schreckte Hoot so auf, dass er zusammenzuckte. »Diese Frauen hatten etwas gemeinsam, Hoot.«
    »Niemand, der an diesen Fällen arbeitet, hat irgendwelche Gemeinsamkeiten unter den Opfern feststellen können. Weder der Arbeitsplatz, noch Körperbau, Vergangenheit…«
    »Ihre Bedürftigkeit.«
    Hoot war nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Er sah Begley eindringlich an. »Sir?«
    »Sie waren alle auf die eine oder andere Weise bedürftig. Millicent war, wie wir wissen, magersüchtig, was ein Symptom für emotionale Probleme und Schwierigkeiten mit dem Selbstbild ist, nicht wahr?«
    »Soweit ich weiß.«
    Begley ging sie der Reihe nach durch. »Vor ihr war Carolyn Maddox dran. Eine alleinerziehende Mutter, die dauernd Überstunden machen muss, um ihre zuckerkranke Tochter durchzubringen. Laureen Elliott.« Er klappte den Ordner auf und überflog den Inhalt. »Aha. Einhundertsechzig Zentimeter groß und hundert Kilo schwer. Sie war übergewichtig. Ich wette, wenn wir nachfragen, werden wir erfahren, dass sie zeitlebens Probleme mit ihrem Gewicht hatte und jede angesagte Diät, die je erfunden wurde, über sich ergehen ließ.
    Sie war Krankenschwester. Nachdem sie im medizinischen Bereich arbeitete, bekam sie ständig vor Augen geführt, welche gesundheitlichen Risiken ein solches Übergewicht mit sich bringt. Vielleicht hat man Druck auf sie ausgeübt, endlich abzunehmen oder ihren Job aufgeben zu müssen.«
    »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen, Sir.«
    »Betsy Calhouns Ehemann starb sechs Monate vor ihrem Verschwinden an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die beiden waren siebenundzwanzig Jahre verheiratet. Sie war Vollzeithausfrau. Was sagt Ihnen das, Hoot?«
    »Äh…«
    »Depressionen!«
    »Natürlich.«
    »Betsy Calhoun heiratete unmittelbar nach der Highschool. Sie hat nie außerhalb ihres Hauses gearbeitet. Ihr Mann regelte alles Geschäftliche für sie. Wahrscheinlich hat sie bis zu seinem Tod nie auch nur einen Scheck ausgestellt. Plötzlich muss sie für sich selbst sorgen, und außerdem hat sie die Liebe ihres Lebens und damit ihren Lebenssinn verloren.«
    Begley war so in Fahrt, dass Hoot es nicht übers Herz brachte, ihn darauf hinzuweisen, dass all das nur Mutmaßungen waren. Mutmaßungen, die auf gesunder Logik beruhten, aber trotzdem reine Mutmaßungen, die vor Gericht keinen Bestand hätten.
    »Das ist der Schlüssel, Hoot«, fuhr Begley fort. »Er hat keine einzige Frau entführt, die fest im Berufsleben steht, sich in einer soliden Beziehung befindet, physisch fit oder emotional belastbar ist. Bevor diese Frauen verschwanden, gingen sie allen Fallgruben und Gefahren aus dem Weg, um es mal so auszudrücken.
    Eine leidet an Depressionen, eine ist schwer übergewichtig, die andere arbeitet sich die Finger wund, um über die Runden zu kommen und um ihr Kind am Leben zu halten, und die letzte stopft sich mit Junkfood voll und spuckt dann alles wieder aus. Dann«, fuhr er mit dramatischer Stimme fort, »tritt unser Täter auf. Sanft und verständnisvoll, mitfühlend und gütig, und obendrein gutaussehend wie der sprichwörtliche Märchenprinz.«
    Hoot erwärmte sich allmählich für die Theorie. »Er freundet sich mit ihnen an, gewinnt ihr Zutrauen und schließlich ihr Vertrauen.«
    »Gibt ihnen eine breite Schulter zum Ausweinen und hält sie in seinen starken, sonnengebräunten Armen.«
    »Sein Modus Operandi besteht darin, bedürftigen Frauen zu helfen.«
    »Nicht nur zu helfen, Hoot, sie zu retten. Sie zu erlösen. Mit seinem Aussehen und seiner Geschichte als Abenteurer und Naturbursche könnte er so viel Sex haben, wie er nur will und wann immer ihm danach ist.

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