haben, lieber an der Börse spekulieren!«
Es folgte ein für Eingeweihte mit Sicherheit höchst beeindruckender Stammbaum: »Attila«, »Fabiola«, »Ebony« und »D’Artagnan«. Namen, die Pia absolut nichts sagten. Offenbar befand sich die hochdekorierte Stute sozusagen »zur Erholung« auf dem Petershof und sollte in allernächster Zeit einem nicht weniger prominenten Hengst zwecks Nachwuchsproduktion zugeführt werden.
Geritten hatten die von Alsfelds sie nie.
Die Frage, was Lennart Peters ihr eigentlich so dringend mitteilen wollte, meldete sich bei Pia erst zwei Tage später wieder.
Nele hatte mit einem selbst gebackenen Cheesecake vor der Tür gestanden und nachdrücklich gefordert, in Sachen Liebesleben ihrer Schwester auf den neusten Stand gesetzt zu werden.
Die Geschichte mit Jonas und Rebecca überraschte sie nicht im Geringsten. »Ach, die Matussek ist auf dem Perlen-Kinder-Trip! Na, dann wundert mich gar nichts mehr! Diese ganze Wunderkinder-Kacke ist doch nichts weiter als ’n Alibi für narzisstisch gestörte Eltern, ihre Kinder zu glorifizieren, statt sie zu erziehen!«
»Ich weiß nicht…« Bei aller Antipathie war Pia nicht bereit, das Ganze einfach abzutun. »Frau Matussek behauptet jedenfalls, sie kann die Aura von Menschen sehen. Und die von Jonas und Rebecca würde irisierend leuchten.«
»Ja, und meine ist blau kariert und fusselt!«
»Mensch, Nele! Kann doch sein, dass manche Menschen mehr sehen als andere und dass es so ’ne Art Farb-Heiligenschein um uns drum rum tatsächlich gibt!«
»Von mir aus! Aber ’ne Hitparade aufzumachen, wer die schickste Aura im ganzen Lande hat, und daraus dann auch noch irgendwelche haarsträubenden Ideologien zu stricken, ist echt das Allerletzte! Und wenn das dann auch noch auf Kinder übertragen wird nach der Devise Ätsch, mein Sohn hat aber ’ne tollere Aura als deiner!, dann wird mir schlecht!«
Pia beschloss, das Thema ein für alle Mal zu beenden. »Weißt du was? Im Grunde ist mir das alles total egal! Aura hin, Aura her: Von mir aus sollen Jonas und Rebecca den Weltfrieden retten, fünfzehn perlweiß irisierende Kinder kriegen und Frau Matussek zur Oma der Nation ernennen: Ich hab mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun!«
Zur Bekräftigung biss sie herzhaft in das dritte Stück von Neles fabelhaftem Cheesecake. »Und František ist tierisch fleißig, kapiert total schnell und überhaupt: alles paletti!«
»Wer ist František?«
»Mein neuer Nachhilfeschüler.«
»Und was ist mit diesem Leonard?«
»Lennart? Peters?«
Der Themenwechsel erfolgte eine Spur zu plötzlich, und Pia brauchte eine Weile, bis sie darauf reagieren konnte.
»Es war schrecklich, wie er da lag. Ich dachte zuerst, er wär tot«, sagte sie leise. »Wie’s ihm geht, wüsst’ ich auch gerne. Aber ich kann da doch nicht einfach hingehen.«
»Ins Krankenhaus? Wieso das denn nicht?« Nele schüttelte ungläubig den Kopf. »Bist doch sonst nicht so schüchtern.«
»Das hat doch mit schüchtern nichts zu tun! Ich will mich einfach nicht aufdrängen!«
Nele lachte sie regelrecht aus. »Na, du machst mir Spaß! Gott sei Dank warst du noch nie im Krankenhaus! Sonst wüsstest du, wie langweilig es da ist. Also: nichts wie hin! Aber bring bloß keine Blumen mit! Lieber ’n Buch oder ’ne Zeitschrift oder so was!«
»Aber Lennart steht total auf Pflanzen!«
»Ahaa…?! Na, ihr scheint euch ja in der kurzen Zeit ganz schön nähergekommen zu sein, wenn du solche Intimitäten…«
»Quatsch! Haben mir seine Eltern erzählt!«
»Ach, mit denen bist du auch schon auf Du-und-Du?«
»Nele, du bist unmöglich! Und wenn deine blöden Anspielungen darauf abzielen sollen, mich über Jonas hinwegzutrösten: Kannste dir sparen! Der interessiert mich wirklich nicht mehr die Bohne!«
Sie hatte alle weiteren Mails von
[email protected] ohne zu lesen gelöscht und Rebecca und Jonas unwiderruflich aus ihrem Facebook-Freundeskreis getilgt.
Als Nele gegangen war, durchforstete Pia das Internet nach Büchern über Ethnobiologie, stellte fest, dass sie nicht einmal ansatzweise abschätzen konnte, ob es sich dabei um Standardwerke handelte und Lennart das betreffende Buch vielleicht längst gelesen hatte. Schließlich entschied sie sich für eine Neuausgabe von Alexander von Humboldts Reise nach Südamerika.
Das dürfte passen.
An der Wand vor dem Krankenzimmer war ein Kasten mit einem Metallbügel angebracht. Das Hände-Desinfektions-Ritual wurde Punkt für